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Na, hören Sie mal!

Marcus Bösch14. April 2005

In Deutschland wird zugehört. Hörbücher heißt der Trend zur Zeit. Lesen Sie noch oder hören Sie schon?

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Buch mit Kopfhörer: Spart Zeit und schont die AugenBild: dpa Zentralbild

Wenn Verlagsspezialisten, Marketingprofis und Trendforscher recht haben, dann leben wir in einer unglaublich schnellen, mobilen neuen Welt. Dann sind wir gnadenlos effektiv, nur leider komplett reizüberflutet. Das alles macht aber gar nichts, denn schließlich gibt es Hörbücher.

Der Weg zum Wesentlichen



Ob im Bett, im Auto oder im Stadtpark - seit der flächendeckenden Verbreitung so genannter Audio-Books können wir uns immer und überall bilden, unterhalten und entspannen. Das geht auch mit einem Buch, sagen Sie? Okay, aber mit dem Audiobuch am Ohr bleiben die Hände frei! "Die Literaturfans wollen den 'double your time'-Effekt nutzen", sagt Marc Sieper vom Arbeitskreis Hörbuchverlage im Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

Verdopple deine Zeit: Wer vorher einfach so seine Kurzwaren sortierte, herrliche Makramees anfertigte oder die Daumen drehte, der kann nun nebenbei noch Bücher hören. Ob "Der Weg zum Wesentlichen", "Als Landhebamme unterwegs" oder "Die Verwaltung des Nichts". In Deutschland sind 13.000 Hörbücher lieferbar. "Jährlich kommen 800 bis 1000 neue Hörbücher dazu", erzählt Heike Völker-Sieber vom Münchner Hörverlag.

Da ist Potential

1988 auf Buchmessen noch milde belächelt, kann man mit Hörbüchern inzwischen Umsatz machen. 140 Millionen Euro haben deutsche Verlage 2004 mit Hörbüchern verdient. 14,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Das Interesse an Hörbüchern ist beim Konsumenten riesengroß", konstatiert Sieper.

"Da ist noch ein sehr großes Potential", sagt Völker-Sieber und rechnet mit deutlichen Zuwachsraten in den nächsten fünf Jahren. Vorbild ist das Land der ungebrenzten Möglichkeiten. Denn in den USA hören - laut einer Umfrage der Audio Publishers Association - 21 Prozent der Haushalte Audio-Books. Umsatz: zwei Milliarden Dollar. Das ist noch ein weiter Weg für deutsche Verleger. Denn bisher werden nur "3,2 bis 3,5 Prozent des Umsatzes im Gesamtbuchmarkt in Deutschland mit Hörbüchern erwirtschaftet", so Völker-Sieber.

Hype, Big Player und Salzgebäck

Kritisch verfolgt Thomas Böhm den Hype um den vermeintlichen Boom. "Bis in die Mitte der 1990er Jahre gab es keine Hörbücher, als es sie dann gab, hat diese Branche natürlich enorme Zuwachsraten erzielt, weil man von Null aus gerechnet hat", erklärt der Programmleiter des Kölner Literaturhauses. Sein Fazit: "Tatsächlich gibt es aber nur ganz wenige Hörbuch-Verlage, die sich selbst tragen können."

Von den 400 bis 500 deutschen Verlagen, die Hörbücher herausgeben, sind lediglich zehn "Big Player". Nur diese können sich Produktionskosten im hohen sechsstelligen Bereich für Großprojekte überhaupt leisten.

Traf man sich einst im Kinderzimmer, um bei Brause und Salzgebäck leierenden Kinder-Kassetten zu lauschen, steigt man heute aufs Mountainbike, stöpselt den MP3-Player ins Ohr und lauscht dem "Mann ohne Eigenschaften".