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Nach 46 Jahren aus der Todeszelle

27. März 2014

Seit 1968 wartete ein Japaner auf seine Hinrichtung. Nun ist der 78-Jährige plötzlich frei. DNS-Spuren vom Tatort deuten auf seine Unschuld hin. Es wäre eines der krassesten Fehlurteile der japanischen Justizgeschichte.

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Iwao Hakamada bei seiner Freilassung (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Iwao Hakamada war 1966 wegen Mordes an einer vierköpfigen Familie verhaftet worden. In einem Indizienprozess ist der Berufsboxer zwei Jahre später zum Tode am Galgen verurteilt worden. Der Fall ging durch alle Instanzen. Erst jetzt erkannte das Gericht entlastende DNA-Ergebnisse als Beweismittel an.

Nach einem 20 Tage langen Polizeiverhör hatte Hakamada ein vermeintliches Geständnis abgelegt, das er zum Auftakt seines Prozess jedoch widerrief. Die Beamten hätten ihn geschlagen und ihm gedroht. Wichtigstes Beweismittel war blutbefleckte Kleidung, die ein Jahr nach der Tat präsentiert wurde. Die Verteidiger argumentierten, dass die Kleidung zu klein für ihn sei und die Blutflecken darauf verdächtig frisch erschienen. Spätere DNA-Analysen ergaben keine Verbindung zwischen Hakamada und der Kleidung. Dennoch blieb er in der Todeszelle.

Der Berufsboxer Iwao Hakamada in der 1960er Jahren (Foto: Reuters)
Der Berufsboxer Iwao Hakamada in der 1960er JahrenBild: Reuters/Kyodo

Jahrzehntelanger Kampf durch alle Instanzen

Der Verurteilte und seine Verteidiger hatten 1981 zum ersten Mal ein Neuverfahren gegen die Todesstrafe beantragt. 2008 wurde dies vom Obersten Gerichtshof abgewiesen. Daraufhin stellte Hakamadas heute 81 Jahre alte Schwester Hideko einen erneuten Antrag – diesmal erfolgreich. Der zuständige Richter Hiroaki Murayama sagte, die Ermittler hätten möglicherweise die zentralen Beweise gefälscht.

Es ist erst das sechste Mal in der Nachkriegsgeschichte Japans, dass ein Gericht der Wiederaufnahme des Falls eines Häftlings zugestimmt hat, dessen Todesstrafe bereits rechtskräftig verhängt wurde. In vier der fünf vorherigen Fälle waren die Verurteilten freigesprochen worden. Japan ist eines der wenigen Industrieländer, in denen die Todesstrafe noch vollstreckt wird. Menschenrechtsorganisationen und auch die EU fordern Tokio immer wieder auf, die Exekutionen zu beenden.

Alleine und in ständiger Angst

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Wie die meisten zum Tode Verurteilten lebte Hakamada die meiste Zeit in Einzelhaft und in permanenter Angst, dass es jeden Tag soweit sein könnte. Denn der Zeitpunkt der Hinrichtung wird den Todeskandidaten in Japan nicht mitgeteilt. Erst wenige Minuten vorher wird den Gefangenen gesagt, dass sie sterben werden. Die Angehörigen erfahren vom Vollzug des Urteils erst im Nachhinein. Viele Todeskandidaten treibt die ständige Angst in den Wahnsinn. Auch der mentale Zustand des inzwischen 78-jährigen Hakamada hat sich in der jahrzehntelangen Isolationshaft stets verschlechtert.

Nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) ist Iwao Hakamada weltweit derjenige, der am längsten in einer Todeszelle saß.

rb/sc (afp, dpa)