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Trauernder Union Jack

Marcel Fürstenau, Berlin26. Juni 2016

Berlin nach dem Brexit: Die Bundesregierung betreibt Krisen-Diplomatie, der Bundestag trifft sich außerplanmäßig. Und sonst? Marcel Fürstenau hat sich zwischen Britischer Botschaft und Europäischem Haus umgesehen.

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Die britische Fahne über dem Eingang der Britischen Botschaft in Berlin
Bild: DW/M. Fürstenau

"Schnell noch ein Foto von der britischen Fahne machen", sagt eine Frau zu ihren Begleitern. Sie blickt nach oben, wo der Union Jack über dem Eingang zur Botschaft des Vereinigten Königreichs schlaff im Wind baumelt. Das Bild passt zur Gemütslage all jener, die über den freiwilligen Abschied Großbritanniens enttäuscht sind. Oder sogar entsetzt. Wer in diesen Tagen mit offenen Augen durchs Berliner Regierungsviertel flaniert, wird an vielen Ecken mit dem Brexit konfrontiert.

Vis-à-vis vom Botschaftsgebäude hat jemand rote Rosen und weiße Margeriten auf den Fußweg gelegt. Eingerahmt von zwei Kerzen, wie sie sonst auf Gräbern zu finden sind oder an Tatorten von Terroranschlägen. Dieses Arrangement aber ist ein wortloser Ausdruck der Trauer über den Verlust eines wichtigen Mitglieds der Europäischen Union (EU). Auch zu erkennen an der kleinen Schleife in den Farben Großbritanniens. Die Blumen sind schon vertrocknet. Kein Wunder bei der Sommerhitze, die momentan in Berlin herrscht.

Fraktionen stimmen sich auf Sondersitzung ein

Vielleicht haben auch schon ein paar Bundestagsabgeordnete das stille Gedenken am Straßenrand bemerkt. Denn an dieser Stelle befinden sich die Büros vieler Parlamentarier. Am Dienstag werden sie zu einer Sondersitzung des Bundestages ins benachbarte Reichstagsgebäude gehen. Angela Merkel wird dann eine Regierungserklärung zum Brexit abgeben. Darauf bereiten sich die Fraktionen schon vor. Für die Bundeskanzlerin ist der Brexit nach der Flüchtlingsfrage die nächste große Herausforderung. Montagabend wird sie Frankreichs Präsident Francois Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi in Berlin empfangen.

Blumen und Kerzen an der Britischen Botschaft in Berlin.
Bye bye, Great Britain!Bild: DW/M. Fürstenau

Außenminister Frank-Walter Steinmeier traf sich schon am Samstag mit seinen Kollegen aus Belgien, Frankreich, Luxemburg, Italien und den Niederlanden zu einem Krisengespräch. Zu Beginn der Woche wird er nach Prag fliegen, um mit den Außenministern Tschechiens, Polens und der Slowakei über Ausgang des Referendums in Großbritannien und seine Folgen für Europa zu sprechen.

Die Europa-Ausstellung muss bald aktualisiert werden

Wie die Gemeinschaft der künftig nur noch 27 EU-Mitglieder funktioniert, wie und warum sie entstanden ist, darüber können sich Interessierte in einer multimedialen Ausstellung am Pariser Platz informieren. Sie ist Teil des Europäischen Hauses, unmittelbar neben der französischen Botschaft. Die britische liegt auf der anderen Straßenseite. Noch gehört das Vereinigte Königreich dazu, aber nicht mehr lange. Deshalb wird die Ausstellung schon bald überarbeitet werden müssen.

"So funktioniert Europa" steht auf der Deckenbeleuchtung im Europäischen Haus in Berlin.
Viele Fragen sich mehr denn je, ob Europa überhaupt noch funktioniertBild: DW/M. Fürstenau

Nach Jahrzehnten der EU-Erweiterung kehrt nun erstmals ein Land Europa den Rücken. Andere Länder könnten diesem Beispiel folgen. Diese Sorge liegt nach dem Brexit gewissermaßen in der Berliner Luft. Überall hört und sieht man Anzeichen dafür. In den Straßen zwischen Brandenburger Tor, Schlossplatz und Museumsinsel wird neben Deutsch vor allem Englisch gesprochen. Kein Wunder, denn jeder zehnte Tourist stammt aus England, Nordirland, Schottland und Wales. Fast 160.000 waren es im vergangenen Jahr. Bislang kamen sie als EU-Bürger nach Berlin. Schon bald werden sie in dieser Statistik fehlen.