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Von wild nach ruhig

Oliver Seppelfricke23. Januar 2008

Gerade ist er mit großen Schauen in London und Hamburg geehrt worden, da steht schon sein Geburtstag an. Der deutsche Maler Georg Baselitz wird 70 Jahre alt.

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Baselitz vor einem Werk, Quelle: dpa
Baselitz vor einem Werk seiner aktuellen Schau in HamburgBild: picture-alliance/ dpa

Baselitz, der sich seinen Namen nach seinem Geburtsort gab, feiert am Mittwoch (23.01.2008) seinen 70. Geburtstag. Der Jubilar ist einer der "Großen Vier" neben Lüpertz, Kiefer und Immendorff, die Anfang der 1960er Jahre für Aufsehen sorgten. Weil sie ganz anders malten als die Konvention es verlangte, unangepasst, schroff, provokant, expressiv, die Motive zerreißend und zerfetzend. Heute ist der Maler, der kürzlich nach 30 Jahren seinen Wohnsitz, das Schloss Derneburg, aufgeben musste und an den Ammersee zog, ruhiger und versöhnlicher geworden. Bis zum 2. Februar sind noch die Werke aus den letzten Jahren, die sogenannten "Russenbilder", in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen.

Es ist still um ihn geworden in den vergangenen Jahren. Keine Skandale mehr, keine Exzesse wie bei manch anderem Künstlerkollegen, keine Kunst von ihm bei Aldi - keine Frage: Georg Baselitz ist in eine Phase eingetreten, in der es ruhiger zugeht. Eine Phase mit einem starken Blick zurück. "Wenn man älter wird, fängt man an, sich zu erinnern und fragt sich, ob alles richtig war oder ob es hätte besser sein können", sagt Baselitz. Vor allem der Tod seiner Eltern sei ein wichtiger Einschnitt gewesen. "Dann fragt man: Hast du alles brav gemacht, hättest du es besser machen können und so weiter. Und man reagiert als Künstler in irgendeiner Art und Weise. Ich male dann Bilder, die damit zu tun haben: mit meiner Erziehung, mit meiner Schulzeit, mit meiner Kinderzeit," erzählt der Künstler. Er habe daraufhin seine Eltern, die Geschwister und den Hund gemalt.

Rasante Karriere eines Unbequemen

Werk 'Die großen Freunde', Quelle: dpa
Typisch Baselitz: Sein Werk 'Die großen Freunde' aus einer PrivatsammlungBild: Foto: Jochen Littkemann, Berlin

Die Karriere des Georg Baselitz verlief rasant. Er kommt 1938 als Hans-Georg Kern zur Welt. Nach seiner Übersiedlung in den Westen nennt er sich nach seiner Geburtsstadt Deutschbaselitz in der DDR. Baselitz war immer ein Aufsässiger und Unbequemer. Seine Nachbarn beobachtet das kleine Kind schon mit dem Fernglas. Was ihm prompt die Überwachung durch die Stasi einbringt. Die Kunstakademie in Ost-Berlin, die er gerade mal zwei Semester lang besucht, muss er wegen "gesellschaftspolitischer Unreife", so hieß es damals, verlassen. Gemeint war wohl das unangepasste Verhalten dieses großen Eigensinnigen. 1957 siedelt er nach West-Berlin, studiert hier weiter und wird einer der erfolgreichsten deutschen Maler. Mit einem großen Thema: Deutschland. Für Baselitz Reibefläche und Motor zugleich.

"Jeder Deutsche hat eigentlich einen Anlass aus seinem Deutschsein zu verschwinden, weil das Deutschsein ganz schlecht belegt ist. Dem wird immer sehr viel Böses nachgesagt, und man eckt ja auch unentwegt überall an", erklärt der Künstler. Wenn ein Volk schwach sei aufgrund seiner Geschichte, bekomme es dies zu spüren. Als deutscher Künstler sei dies für ihn aber eine besondere Motivation, sich Deutschland zu widmen. "Was kann man besseres machen als gerade darauf beharren? Denn das macht einen stärker oder widerspenstiger - oder vielleicht auch glaubwürdiger", sagt Baselitz.

Früher Provokateur und "genialischer Kraftmeier"

Ausstellung: Bilder, die den Kopf verdrehen, Bundeskunsthalle in Bonn, Georg Baselitz
Der hängende Kopf - ein wiederkehrendes Motiv wie hier im Werk 'Clown'Bild: Bundeskunsthalle Bonn

Die Bilder in der ersten Ausstellung 1962 erregten Aufsehen, weil die Polizei sie beschlagnahmte. Sie waren, so meinte man damals, sittenwidrig. Einen Knaben mit erregiertem Penis sieht man zum Beispiel, aus Einzelteilen zusammengesetzt, expressiv zerrissen und doch deutlich erkennbar. Baselitz blieb auf ihnen sitzen - schon allein deshalb, weil er gegenständlich malte zu einer Zeit, als alle Welt abstrakt malte. Bis heute hat sich das nicht geändert. Seine Werke haben längst die Millionengrenze im Kaufpreis überschritten. Der Malgestus des Schroffen und Provokanten ist geblieben, die sogenannten "Frakturbilder". Die Werke des Kunstprofessors hängen heute im Berliner Reichstag, er ist einer der meisthofierten deutschen Künstler.

Baselitz ist mit der Zeit versöhnlicher geworden, auch farblich. Er malt etwa in Magenta, das er als "das kitschige Telekom-Rot" bezeichnet. Und unter dem Titel "Remix" schafft er alte Werke neu, entwickelt sie weiter. Aus dem "genialischen Kraftmeier", als der er einst bezeichnet wurde und der er vielleicht nie wirklich ganz war, ist ein sanfter, aber immer noch kraftvoller Mann geworden. Vielleicht erhält der Siebzigjährige bald ein eigenes Museum: Die Stadt Kamenz, unweit von seinem Heimatort Deutschbaselitz gelegen, will seiner Kunst ein eigenes Haus widmen.