1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein Grund zum Feiern

17. Februar 2010

Zwei Jahre nach der Unabhängigkeit des Kosovo hält sich die Feierlaune in Grenzen. Grund ist vor allem die schlechte Wirtschaftslage. Auch die vollständige internationale Anerkennung lässt noch auf sich warten.

https://p.dw.com/p/M3nP
Kosovo-Albaner tragen neue Staatsflagge am Unabhängigkeitstag (17.02.08) (Foto: AP)
Vor zwei Jahren feierten die Kosovo-Albaner ihre Unabhängigkeit - heute hat sie der Alltag eingeholtBild: AP

Zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung reden die politischen Vertreter des Kosovo fast ausschließlich über Erfolge: Das Land habe den Aufbauprozess der staatlichen Institutionen abgeschlossen. Der Kosovo hat eine eigene Verfassung, ein Verfassungsgericht, eigene Sicherheitskräfte, Geheimdienste und diplomatische Vertretungen in 21 Ländern. 65 Länder haben die Unabhängigkeit anerkannt. Außerdem ist der Kosovo Mitglied des Internationalen Währungsfonds sowie der Weltbank.

"Der Kosovo hat seine politische, wirtschaftliche und nationale Stabilität bewiesen", betont Staatspräsident Fatmir Sejdiu zufrieden. "Die schlechten Prognosen, die ein massenhaftes Auswandern der Serben, Rachezüge gegen die Serben oder die Diskriminierung der Minderheiten vorhergesagt haben, sind nicht eingetreten. Es geschah genau das Gegenteil: Im Kosovo haben wir gute Beziehungen mit allen Minderheiten, mit Ausnahme eines Teils der Serben."

Unzufriedenheit auf beiden Seiten

Arbeitslose Kosovo-Albaner warten am Markt von Pristina auf Beschäftigung und sitzen sich gegenüber (Foto: AP)
Fast jeder zweite ist im Kosovo arbeitslosBild: AP

Je nach Wohnort schätzen die Serben ihre eigene Lage im Kosovo zwar unterschiedlich ein, die Mehrheit ist jedoch unzufrieden -besonders die Serben, die im Norden des Landes leben. Der Serbenchef des Nordkosovos, Marko Jaksic, beklagt, dass sich die Situation der Serben seit der Unabhängigkeitserklärung enorm verschlechtert habe. Es herrsche Perspektivlosigkeit und die Serben seien in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.

Unzufrieden sind aber auch viele Kosovo-Albaner - allerdings nicht wegen der politischen Lage, sondern aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen: Die Korruption ist sehr hoch, fast die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos, mehr als 45 Prozent der Bevölkerung ist arm, 15 Prozent davon lebt in extremer Armut, der monatliche Durchschnittslohn beträgt etwa 230 Euro. Fast jeden Tag gibt es Proteste - im Gesundheitswesen, bei der Justiz oder der Polizei.

Anerkennungsprozess stockt

Der Kampf um die internationale Anerkennung des Landes läuft ebenfalls nicht so erfolgreich, wie gehofft. Den Kosovo haben zwar die wichtigsten westlichen Länder und fast alle Nachbarländer anerkannt, fünf EU-Mitglieder sowie Russland, China und Serbien lehnen dies immer noch ab.

Derzeit ist der Anerkennungsprozess praktisch zum Stillstand gekommen, weil viele Länder das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag über die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung abwarten möchten.

Blick auf Den Haag

Internationaler Seegerichtshof in Den Haag (Foto: AP)
Pristina und Belgrad warten auf Entscheidung des Internationalen GerichtshofesBild: picture-alliance / dpa

Christian Tomuschat, Professor für Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, erwartet allerdings eine positive Antwort für den Kosovo: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gerichtshof ein negatives Gutachten abgeben wird. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen und ich denke, man sollte in die Zukunft blicken." Eines Tages werde es auch wieder freundschaftliche Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien geben.

Tomuschat glaubt, dass nach einem positiven Gutachten des Internationalen Gerichtshofes eine Welle der Anerkennung des Kosovos folgen könnte. Damit würde der Kosovo definitiv als Staat stabilisiert sein.

Eigeninteresse Russlands

Möglicherweise werde sich dann auch Russland dieser Bewegung anschließen. "Die Russen haben letzten Endes ein Interesse daran, dass das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes für den Kosovo positiv ausfällt." Russland habe sich für die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien eingesetzt. Das sei eine vergleichbare Situation wie beim Kosovo, nur dass Russland hier die Anerkennung bislang verweigere.

Serbien und Kosovo hoffen beide auf eine EU-Mitgliedschaft. Der Berliner Professor kann sich einen EU-Beitritt Serbiens aber ohne die Anerkennung des Kosovo nicht vorstellen. Daher erstaune es, dass Belgrad mehrmals bekräftigt habe, dass es die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen werde.

Autor: Bahri Cani

Redaktion: Mirjana Dikic / Nicole Scherschun