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Nach der Trauerfeier kam der Haftbeschluss

Thomas Borchert, dpa23. September 2003

Wenige Stunden nach der Trauerfeier für Anna Lindh hat das Gericht Untersuchungshaft für den Hauptverdächtigen angeordnet. Spätestens nach einer Woche muss nun neues Belastungsmaterial gegen den 35-Jährigen vorliegen.

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Schwedens Regierungschef Göran PerssonBild: AP

Eine halbe Stunde vor der Trauerfeier für Schwedens ermordete Außenministerin Anna Lindh kam am Freitag (19.9.2003) die Nachricht, auf die alle gewartet hatten. Als klar war, dass die Staatsanwaltschaft den Hauptverdächtigen nicht freilassen, sondern durch richterliche Verfügung eine weitere Woche in Untersuchungshaft halten wollte, legte sich erst einmal Ruhe über das Gedenken an die von einem Messerstecher getötete 46-jährige Sozialdemokratin im Stockholmer Stadthaus.

"David und Filip, ihr werdet immer stolz sein können auf eure Mutter. Wir danken euch, dass wir sie für ihre politische Arbeit von euch borgen durften", sagte Lindhs enge Freundin und Schwedens EU-Kommissarin Margot Wallström mit festem Blick in Richtung auf die 9 und 13 Jahre alte Söhne der Toten, die aber für die Fernsehkameras tabu blieben.

Nach der Feier allerdings dauerte es fünf Stunden und damit weit länger als erwartet, ehe der Stockholmer Untersuchungsrichter Lars Sjöström verkündete, dass der 35-jährige Hauptverdächtige eine Woche in Haft bleiben wird. "Die Polizei hat Zeit gewonnen, steht aber jetzt auch enorm unter Druck", sagte im Rundfunk Polizeiexperte Tommy Lindström und klang dabei nicht sehr optimistisch.

Bewegender Abschied

Ein paar Kilometer vom Stockholmer Amtsgericht entfernt hatten die Redner - unter den 1300 Trauergästen waren der schwedische Regierungschef Göran Persson, der britische EU-Außenkommissar Chris Patten und der griechische Außenminister Giorgos Papandreou - neben Lindhs Engagement für die europäische Integration vor allem die sympathische, farbige und energische Ausstrahlung von Schwedens populärster Politikerin im oft eher grauen Politikeralltag heraus.

"Wenn ein Außenminister einen Konferenzraum betritt, verbessert sich nicht zwangsläufig die Stimmung. Außer bei Anna, wenn sie mit ihrem mit offiziellen Dokumenten voll gestopften Rucksack hereinkam", sagte Patten.

Noch keine Beweise

Staatsanwaltschaft und Polizei blieben auch am Freitag bei ihrem eisernen Schweigen seit der Ergreifung des Dienstagabend (16.9.2003) festgenommenen Mannes. Die Fahnder müssen nach dem Ausbleiben des erhofften Erfolgs bei der DNA-Analyse nun vor allem auf eine für sie positive Antwort aus dem "Forensic Science Service" (FSS), einem
Spezialinstitut für kriminologische Untersuchungen in Birmingham, hoffen. Dort wird derzeit die Tatwaffe auf mögliche DNA-Spuren untersucht. Unsicher ist, wann diese Arbeit abgeschlossen ist, die einen unwiderlegbaren Beweis gegen diesen oder später auch einen anderen Verdächtigen bringen könnte.

"Warum, warum, warum?" hatte auch der im schwedischen Exil erwachsen gewordene Papandreou bei der Trauerfeier in Lindhs Muttersprache zu dem bisher so völlig unmotiviert wirkenden Attentat gefragt. Es liege in der menschlichen Natur, die Erklärung auch für ein solches Ereignis zu suchen. Am Freitag sprach vieles dafür, dass die Schweden Geduld beim Warten auf handfeste Ergebnisse dieser Suche aufbringen müssen.