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Nach der U-Boot-Bergung bleiben viele Fragen offen

Cornelia Rabitz7. August 2005

Glückliches Ende eines Dramas unter Wasser: Die sieben Matrosen des russischen Mini-U-Bootes sind gerettet. Ende gut, alles gut? In diesem Fall leider nicht, meint Cornelia Rabitz in ihrem Kommentar.

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Cornelia Rabitz

Es war ein schrecklicher Wettlauf gegen die Zeit, der schließlich mit Hilfe von britischem Spezialgerät gewonnen wurde, auch wenn eine Panne am Bergungsroboter noch einmal für zusätzliche Dramatik gesorgt hatte. Alle sieben Besatzungsmitglieder des russischen Mini-U-Bootes - das sich vor der Halbinsel Kamtschatka in 190 Meter Tiefe in den Kabeln einer Abhör-Anlage verfangen hatte - sind gerettet und offenkundig wohlauf. Erleichterung und Freude nicht nur in der Marine, sondern vor allem bei den Angehörigen, die drei Tage lang auf diese erlösende Nachricht warten mussten.

Beschwichtigungen und Halbwahrheiten

Russische Versuche, das Boot wieder flott zu machen, waren samt und sonders gescheitert. Die Rettung in letzter Minute ist einzig und allein dem raschen Einsatz britischer Spezial-Kräfte zu danken, die Russland dieses Mal, anders als beim Untergang der "Kursk" vor fünf Jahren, sofort zu Hilfe gerufen hatte. Dies freilich bleibt bei der Beurteilung des Dramas der einzige Lichtblick. Aus der Katastrophe der "Kursk" hat man offenkundig nichts gelernt. Damals wurde zunächst überhaupt nicht informiert, später lückenhaft und unvollständig.

Die Informationspolitik des russischen Militärs bestand auch dieses Mal aus Beschwichtigungen und Halbwahrheiten. Nach alter sowjetischer Art hatte man auch den Unfall vor Kamtschatka zunächst ganz verschwiegen. Dann hieß es, das kleine U-Boot habe sich vor der Halbinsel in einem "Fischernetz" verfangen. Der Sauerstoff-Vorrat reiche noch für fünf Tage. Diese Frist wurde im Verlauf der Ereignisse drastisch reduziert.

Spät erst gaben die Verantwortlichen zu, dass das Unterwasserfahrzeug in die Kabel und Verankerungen einer riesigen Abhör-Anlage geraten war. Dass für die in der Tiefe Eingeschlossenen die Luft knapp wurde. Dass es fraglich war, ob sie der Kälte dort unten standhalten könnten.

Trostlose Zustände beim Militär

Peinlich auch, dass die russische Marine nicht selbst in der Lage gewesen ist, das kleine U-Boot wieder flott zu bekommen. Offenkundig verfügt man nicht über das notwendige moderne Rettungsgerät. Auch das Mini-U-Boot selbst war angeblich defekt und hätte längst repariert werden müssen. Dies wiederum wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die trostlosen Zustände in Russlands Marine, die ebenso beklagenswert sind wie beim Heer.

Fahrzeuge und Gerätschaften sind schrottreif und können nicht modernisiert werden. Sie sind längst zu einer Gefahr für Menschen und Umwelt geworden. Und zu einem lebensgefährlichen Risiko für diejenigen - Soldaten, Seeleute - die mit ihnen umgehen müssen.

Immer wieder hat es in den vergangenen Jahren zu Lande wie zu Wasser Unfälle gegeben, die Todesopfer gefordert haben. Drei Jahre nach der Explosion der "Kursk" sank beispielsweise ein U-Boot auf dem Weg zur Verschrottung. Neun Seeleute starben. Reihenweise rotten atomgetriebene ausgemusterte U-Boote im Norden Russlands vor sich hin.

Verantwortungslosigkeit und Menschenverachtung

Auf Menschen in Not, auf die Erfordernisse der Umwelt wird keine Rücksicht genommen. An der Spitze von Militär und Politik herrscht ein skandalöses Maß an Verantwortungslosigkeit und Menschenverachtung.

Und schließlich muss gefragt werden, welchen Auftrag das nunmehr glücklich gehobene Mini-U-Boot vor Kamtschatka eigentlich hatte: Sollte es vielleicht die Abhör-Anlage auf dem Meeresboden reparieren? Welchen Sinn machen solche Anlagen überhaupt noch? Und: bilden sie nicht eine permanente Gefahr für die Schifffahrt und die Natur?

Russlands Präsident Wladimir Putin schweigt bisher. Es sind freilich nicht nur Fragen zu beantworten. Es muss auch endlich verantwortlich gehandelt werden.