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Ratlose Energiekonzerne

29. August 2011

Als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie. Was bedeutet das für die Betreiber der deutschen Meiler und wie werden sie darauf reagieren?

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Isolatoren im Umspannwerk Berlin-Friedrichshain (Foto: dapd)
Bild: AP

In Deutschland werden 17 Kernreaktoren betrieben, die im vergangenen Jahr knapp elf Prozent des Stroms in deutschen Netzen produzierten. Diese Atommeiler gehören den vier großen Energieunternehmen, die die Energieversorgung in Deutschland dominieren: RWE, Vattenfall, E.on und EnBw. Die fühlten sich durch den plötzlichen Ausstiegsbeschluss von der Bundesregierung im Stich gelassen, die ja nur Monate zuvor beschlossen hatte, die deutschen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen als bis dahin vorgesehen. Auch die Stimmung in der Bevölkerung wendete sich noch entschiedener gegen die Atomkraft als zuvor. Bei der RWE-Hauptversammlung im April mußte die Unternehmensleitung ihre Kraftwerkspolitik sogar vor den eigenen Aktionären verteidigen.

Plakat, das Jürgen Großmann (RWE) und Kanzlerin Merkel beim Feiern zeigt, nachedem 2010 der Rot-Grüne Atomausstiegsbeschluss rückgängig gemacht worden war. (Foto: dpa)
Das waren noch Zeiten: Ein Greenpeace-Plakat zeigt Merkel und RWE-Chef Großmann - vor dem endgültigen AusstiegsbeschlussBild: picture-alliance/dpa

Die Konzerne reagierten zunächst verhalten auf die Beschlüsse der Bundesregierung. Beim Konzern E.on wollte man die Zeit, in der über die Zukunft der Atomkraftwerke diskutiert werden sollte, sinnvoll nutzen. Das Unternehmen teilte mit, man werde die Zeit für eine grundlegende Konsolidierung nutzen und die Basis dafür schaffen, dass die neue Konzernstrategie ab 2013 ihre volle Wirkung entfaltet.

Hohe Gewinne machen unflexibel

Doch wie sieht diese neue Konzernstrategie aus? Die kann auch der Energiewissenschaftler Uwe Leprich nicht erkennen. Leprich ist der Leiter des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) in Saarbrücken. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE sagte er, dass da "noch sehr wenig erkennbar" sei. Das überrasche ihn aber nicht, denn die Energiekonzerne hätten in den letzten Jahren "exorbitant hohe Renditen" erzielt und wollten nun einfach so weitermachen. Doch ohne ein grundsätzliches Umdenken werde ihnen das nicht gelingen.

Dunkle Wolken über dem Atomkraftwerk Brunsbüttel in Niedersachsen (Foto: dapd)
Dunkle Wolken über dem Atomkraftwerk BrunsbüttelBild: AP

Die hohen Renditen stellen tatsächlich ein Hindernis für die Großkonzerne dar, wenn es darum geht, ihre Unternehmen umzustrukturieren. Die Aufgabe eines Stromversorgers wie RWE ist eben nicht in erster Linie die Sicherstellung der Stromversorgung. Ein börsennotiertes Unternehmen muss erst einmal Geld verdienen. Jürgen Großmann, der Vorstandsvorsitzende von RWE verweist auf das Aktienrecht, das seinen börsennotierten Konzern verpflichte, dem Vermögen der AG und dem Vermögen der Aktionäre zu dienen. RWE, so Großmann in einem Interview im April, "muss Vermögensschäden vermeiden".

Warnung vor "Schwarzen Nächten"

Die Atomkraftwerksbetreiber waren durch den plötzlichen Richtungswechsel der Regierung einerseits und den immer lauter werdenden Protest in der Bevölkerung gegen die Nutzung der Atomenergie andererseits in die Defensive geraten. In dieser Lage konnten sie keine überzeugenden Zukunftskonzepte vorstellen und wiesen zunächst einmal auf den Status Quo hin: Die Kernenergie sei für eine sichere Stromerzeugung unverzichtbar. Sie schürten gezielt die Angst vorm "Black Out". RWE-Chef Großmann etwa warnte die Stromkunden, dass nun mit Stromausfällen zu rechnen sei, und zwar an "zwei, drei Tagen im Jahr".

Ein Offshore-Windpark in der Nähe von Kopenhagen - Windräder verschwinden im Dunst über der Ostsee (Foto:dpa)
Offshore- Windpark vor Kopenhagen: Die großen Vier haben zu wenig in Erneuerbare Energien investiert, sagen ExpertenBild: dpa

Dazu ist es nicht gekommen und viele Experten gehen davon aus, dass das auch in den nächsten Jahren nicht geschehen wird. Wie wollen die Konzerne denn nun den Wegfall der Nuklearenergie kompensieren? Zunächst einmal, so Großmann, mit den alten Mitteln. Die Atomenergie könne man, wenn überhaupt, nur durch fossile Energieträger ersetzen. Er kündigte an, das werde "im wesentlichen Kohle sein".

Die Zeichen der Zeit nicht erkannt

Doch das Verbrennen fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Gas kommt als mittelfristige Alternative nicht in Betracht. Schließlich hat die Bundesregierung klargestellt, dass sie auch weiterhin an ihren Klimaschutzzielen festhalten will. Der Einsatz fossiler Energieträger setzt aber zu viel klimaschädliche Gase frei. Weitgehend emissionsneutral sind dagegen die Erneuerbaren Energien, wie Wind und Sonne, Biomasse und Wasser. Das wissen natürlich auch die Großkonzerne, die nicht müde werden zu betonen, dass sie schon viel Geld in die Entwicklung der Erneuerbaren Energien gesteckt haben. Die könnten aber die Atomkraft nicht ersetzen, die "Grünen Energien" seien längst nicht ergiebig genug.

Dieser Analyse widerspricht der Energiewissenschaftler Uwe Leprich nicht grundsätzlich. Er sieht dabei aber eher die Versäumnisse der großen Energiekonzerne. Die hätten zwar schon einiges investiert, das sei aber längst nicht genug gewesen. Die Konzerne hätten "die Zeichen der Zeit nicht erkannt". Der Atomausstieg befristet nicht nur die Laufzeit der Atommeiler - die Klimaschutzpolitik wird auch den Energieträgern Kohle und Gas langfristig ein Ende bereiten. Das, so Uwe Leprich, hätten die Energiekonzerne unterschätzt und nun stünden sie mit leeren Händen da.

Neuer Mix – Neuer Markt

Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, bläst gegen ein kleines Windrädchen. (Foto: dpa)
RWE-Chef Jürgen Großmann und die WindenergieBild: picture alliance/dpa

Nicht nur der Energiemix, also die Entscheidung, welche Energieträger zu welchen Anteilen an der Stromproduktion beteiligt sein sollen, wird sich ändern. Auch die Aufteilung des Strommarktes werde sich in den nächsten Jahren grundlegend ändern: Weg von den Großkonzernen, hin zu kleinen, oft kommunalen Stromproduzenten, meint Uwe Leprich. "Es geht sehr viel stärker in Richtung energiewirtschaftlicher Mittelstand", sagt er und nennt als Beispiel die Stadtwerke. Die seien schon sehr gut aufgestellt und würden gerade bei der Stromerzeugung mit "Erneuerbaren Energien" eine wichtige Rolle spielen. Und bei privaten Anlagen sieht er eine große Chance für mittelständische Unternehmen.

Das Aus für die Atommeiler, die beabsichtigte Reduktion des Einsatzes fossiler Brennstoffe und der daraus entstehende Zwang, nach alternativen Energiequellen zu suchen, spielt kleinen und flexiblen Unternehmen in die Karten. Für die heute den Markt bestimmenden Konzerne, für RWE, E.on, EnBw und Vattenfall, würden die Zeiten dagegen schwer, ist Uwe Leprich überzeugt. Er erwartet, dass "sehr viel mehr Akteure auf dem Energiemarkt mitmischen" und die vier Großen viel von ihren Marktanteilen verlieren werden - die Branchenriesen werden deutlich schrumpfen.

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Rolf Wenkel