1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kölner Polizeichef muss gehen

8. Januar 2016

Die Vorwürfe waren dann doch erdrückend: Landesinnenminister Jäger wollte den Polizeipräsidenten Albers nicht mehr dulden. Auch Oberbürgermeisterin Reker war von ihm abgerückt.

https://p.dw.com/p/1HaLI
Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers (foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof wird Polizeipräsident Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er habe Albers diese Entscheidung bereits mitgeteilt, bestätigte Innenminister Ralf Jäger. Der Schritt sei nötig gewesen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und die Handlungsfähigkeit der Kölner Polizei wiederherzustellen, sagte Jäger in Düsseldorf.

Die Polizei habe nun die Aufgabe, die Vorfälle in der Silvesternacht vollständig aufzuarbeiten "und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen", betonte der SPD-Politiker vor der Presse. Die Menschen wollten "zu Recht wissen, was in dieser Silvesternacht passiert ist, wer die Täter sind und wie solche Vorfälle zukünftig verhindert werden können." Ungeachtet der Versetzung werde die Fahndungsarbeit der Behörden in Köln mit Hochdruck fortgesetzt.

Ralf Jäger, Landesinnenminister NRW (foto: dpa)
Zog die Reißleine: NRW-Innenminister JägerBild: picture-alliance/dpa/F.Gambarini

Die Personalentscheidung sei auch angesichts der anstehenden Großveranstaltungen gefallen, verlautete in Düsseldorf, offenbar mit Blick auf den Karneval am Rhein.

Zuvor waren immer mehr Rücktrittsforderungen an Albers laut geworden. Dem Polizeipräsidenten wird insbesondere vorgeworfen, auf die Eskalation zu spät reagiert, die Öffentlichkeit nur zögerlich informiert und zum Beispiel die Herkunft von Tatverdächtigen verschwiegen zu haben.

So hatte die Landespolizei den Einsatzverantwortlichen der Kölner Silvesternacht nach eigener Darstellung weitere Verstärkung angeboten. Dies sei aber in Köln abgelehnt worden, sagte ein Sprecher des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) in Duisburg. Nach seiner Darstellung hätten drei auf verschiedene Standorte - Aachen, Wuppertal und Gelsenkirchen - verteilte Züge einer Einsatz-Hundertschaft zeitnah nach Köln geführt werden können. Die Leitstelle in Duisburg habe mit dort Verantwortlichen in ständigem Kontakt gestanden.

Herkunft der Tatverdächtigen verschleiert?

Schon zuvor hatte das Landesamt Vorwürfe als falsch zurückgewiesen, wonach sie der Kölner Polizei im Vorfeld eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei für die Silvesternacht verweigert habe. Der Kölner Polizeichef hatte sich zudem mit Vorwürfen auseinandersetzen müssen, nach den sexuellen Übergriffen auf der Domplatte den Migrationshintergrund der Verdächtigen verschwiegen zu haben. Er habe öffentlich betont, dass bei den Personenkontrollen Dokumente des Bundesamts für Migration und Flüchtlingen aufgefallen seien, so Albers. Gleichzeitig habe er aber auch darauf hinweisen müssen, dass es sich bei den überprüften Männern nicht zwangsläufig um die Täter handele.

Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (foto: dpa)
Ging auf Distanz zu ihrem Polizeichef: Kölner OB Henriette Rekers - selbst wegen ihrer Reaktionen auf die Silvester-Übergriffe in der KritikBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Auch Henriette Rekers, die Oberbürgermeisterin der rheinischen Großstadt, hatte sich kurz zuvor sehr deutlich vom umstrittenen Polizeipräsidenten distanziert. Die ihr von der Polizeiführung geschilderten Fakten gäben nicht das vollständige Bild der Einsatznacht wieder, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. "Insofern ist mit meinem heutigen Kenntnisstand das Vertrauensverhältnis zur Kölner Polizeiführung erheblich erschüttert."

Die veröffentlichten internen Berichte zeigten, dass die Polizei bereits seit Tagen ein wesentlich differenzierteres Bild zur Lage am Silvesterabend und zur Herkunft möglicher Tatverdächtiger habe als bislang vermittelt worden sei, erklärte Reker. "Dass ich diese Informationen, insbesondere zur Herkunft von ermittelten Beteiligten aus der Gruppe der Täter, erst aus den heutigen Medien entnehmen kann, kann ich als Oberbürgermeisterin dieser Stadt nicht akzeptieren."

Reker hatte am vergangenen Montag, drei Tage nach den Ausschreitungen, vor Journalisten gesagt, die Behörden hätten keine Hinweise darauf, dass es sich bei den Beteiligten um Flüchtlinge handele. Einsatzberichte erwähnen dagegen unter anderem zahlreiche Personenkontrollen unter anderem auch von Syrern.

Nach den Übergriffen zum Jahreswechsel steigt die Zahl der Anzeigen kontinuierlich. Bis zum Freitag seien in Köln rund 170 Anzeigen erstattet worden, drei Viertel davon hätten einen sexuellen Hintergrund. Außerdem lägen 350 Stunden Videomaterial über die massiven Ausschreitungen auf dem Bahnhofsvorplatz vor, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. Etwa 250 verschiedene Daten müssten ausgewertet werden.

Zwei Verdächtige wieder auf freiem Fuß

Die bislang 80-köpfige Ermittlungsgruppe "Neujahr" wurde auf 100 Beamte aufgestockt. Zwei am Freitag festgenommene mutmaßliche Trickdiebe wurde dagegen nach wenigen Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Tatverdacht gegen die beiden habe sich nicht erhärtet, sagte Staatsanwalt Benedikt Kortz der DPA. Bei den 16 und 23 Jahre alten Männern aus Marokko und Tunesien sollen nach Polizeiangaben Handys sicher gestellt worden sein. Nach Angaben von WDR und "Kölner Stadt-Anzeiger" zeigen die Videos Ausschreitungen und Übergriffe auf Frauen. Polizei und Staatsanwaltschaft kommentierten das nicht.

In Hamburg stieg die Zahl der Anzeigen von Frauen wegen sexueller Übergriffe sprunghaft auf 108. In Frankfurt am Main ermittelt die Polizei inzwischen wegen 15 strafrechtlich relevanten Fällen.

SC/sti (afp, rtr, dpa, epd)