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PanoramaBrasilien

Taylor-Swift-Konzert: Wie umgehen mit extremer Hitze?

22. November 2023

Bei einem Konzert der US-Musikerin Taylor Swift in Brasilien ist ein Fan gestorben. Eine Hitzewelle und Wassermangel könnten der Grund sein. Experten erklären, wie Organisatoren auf solche Wetterlagen reagieren können.

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Eine junge Frau stet in der Sonne und gießt sich Wasser aus einer Plastikflasche über den Kopf, dahinter eine Frau mit Regenschirm als Sonnenschutz
In der Gluthitze war den Fans von Taylor Swift jede Abkühlung recht. Auf das Konzert am 18. November durften sie keine Flaschen mitnehmenBild: Silvia Izquierdo/AP Photo/picture alliance

Nach dem Tod eines Fans bei einem Konzert des US-Popstars Taylor Swift in Rio de Janeiro am vergangenen Freitag stehen die Veranstalter in der Kritik. Eine 23-Jährige war während des Konzerts in Brasiliens Kulturmetropole kollabiert und gestorben - nach bisherigen Erkenntnissen an einem Herz- und Atemstillstand.

Bereits kurz nach Bekanntwerden des Todesfalls wurden Vorwürfe gegen die Veranstalter laut. Denn trotz drückender Hitze war es den Fans nicht erlaubt, Wasser auf das Konzertgelände mitzubringen. Auch drinnen sei es schwer gewesen, an Trinkwasser zu kommen. Dies und die genaue Todesursache sind nun Gegenstand von Ermittlungen.

Sogar Taylor Swift entging der Wassermangel nicht. Konzertmitschnitte zeigen, wie sie forderte, den Fans Wasser zu geben und wie sie selbst eine Wasserflasche von der Bühne Richtung Publikum warf.

Sind die Vorwürfe gegen die Veranstalter gerechtfertigt?

Vorschnelle Schuldzuweisung haben mehrere Experten für die Sicherheit auf Großveranstaltungen abgelehnt, mit denen die DW gesprochen hat ab. Die genauen Umstände ließen sich aus der Ferne überhaupt nicht beurteilen.

Mitarbeiter der Feuerwehr sprühen Wasser aus einem Schlauch hoch in die Luft über eine Menschenschlange
Die Feuerwehr verschaffte wartenden Fans - vor dem letztlich verschobenem Konzert von Taylor Swift am Samstag - eine Abkühlung mit dem FeuerwehrschlauchBild: Fausto Maia/TheNEWS2/ZUMA/picture alliance

Zudem seien auch die Zuständigkeiten nach brasilianischem Recht völlig unklar. "Für die Sicherheit auf Großveranstaltungen können ja verschiedene Akteure verantwortlich sein", erklärt Olaf Jastrob, Vorsitzender des Deutschen Expertenrats Besuchersicherheit: "Da kommen nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Betreiber des Stadions, die Behörden sowie zahlreiche Subunternehmen infrage."

Hätten die Verantwortlichen auf die große Hitze reagieren müssen?

Gleichwohl meint der Experte auch: "An einem Ort mit Zugangsbeschränkung gehört es durchaus zur Planung einer sicheren Veranstaltung, die Besuchenden mit einem ausreichenden Flüssigkeitsangebot zu versorgen", meint Jastrob. Dies müsse dann so weit an die jeweiligen Umstände angepasst werden, wie diese vorhersehbar seien.

Vor allem in Brasiliens Südosten herrscht derzeit eine Hitzewelle. Am Wochenende zeigten die Thermometer in der Spitze mehr als 40 Grad an - die höchsten bisher in diesem Jahr. In Rio de Janeiro waren es am Samstagnachmittag 42,5 Grad. Die "gefühlte Temperatur", die bei hoher Luftfeuchtigkeit deutlich über dem tatsächlichen Wert liegen kann, soll sogar über 58 Grad gelegen haben. Bereits Mitte der Woche waren die Rekordtemperaturen vorhergesagt worden.

"Die Wetterlage war also vorhersehbar", sagt Jastrob, gibt aber auch zu bedenken, dass die Versorgung der Fans mit Trinkwasser auf einem Konzert eine erhebliche logistische Herausforderung darstelle - nicht nur wegen der schieren Menge, die nötig wäre, um bei solchen Temperaturen den Bedarf von 60.000 Menschen zu decken.

"Die notwendigen Mengen werden auch in Europa nicht selten unterschätzt", sagt Sven Hansen, Geschäftsführer von Event Safety Consult (ESC) und stellvertretender Vorsitzender im Bundesverband Veranstaltungssicherheit (bvvs). Er sieht ähnliche Probleme bei der Wasserversorgung auf Konzerten. Man müsse sich auch darüber klar sein, wie das zu erwartende Publikum ticke: "Wenn ein junger Fan mit Mühe und Not ein Ticket bekommen hat, mitunter stundenlang ansteht und irgendwie einen Platz ganz vorne ergattert hat, könnte es sein, dass diese Person seine Grundbedürfnisse zurückstellt, nur um diese Platz nicht aufgeben zu müssen."

Fans in einer Menge von Tausenden oder gar Zehntausenden Menschen mit Wasser zu versorgen, sei im Grunde nur mit entsprechenden Vorkehrung möglich, erklärt Jastrob. Ein probates Mittel sei die Unterteilung des Zuschauerraums durch abgesperrte Zugangswege. Solche Maßnahmen trieben allerdings auch die Kosten in die Höhe und verkleinerten gleichzeitig den Zuschauerraum und damit die Zuschauerzahl.

Gluthitze lässt ganz Brasilien schwitzen

Verändert der globale Temperaturanstieg die Event-Planung?

"Wir organisieren kein Open-Air-Event mehr ohne Meteorologen", sagt Hansen. So ließen sich in verschiedenen Zeitabständen vor und auch während einer Veranstaltung entsprechende Entscheidungen treffen.

"Bisher ist das größte Thema in dieser Hinsicht das Gewitterrisiko", sagt der Experte. Hierbei sei es inzwischen gang und gäbe, dass sich Veranstalter gegen Vermögensschäden versichern. Die können etwa daraus entstehen, dass weniger Getränke oder Merchandising-Produkte verkauft werden als geplant, weil eine Veranstaltung frühzeitig abgebrochen werden muss.

Doch mittlerweile werden auch andere Wetterextreme relevant. Inzwischen lohne es sich allerdings, auch darüber nachzudenken, ob Veranstaltungen nicht auch wegen zu großer Hitze oder zu heftiger UV-Einstrahlung absagen oder abbrechen muss: "Im Sommer ist es relativ normal, dass es bei Veranstaltungen mit mehreren Zehntausend Besuchenden eine dreistellige Zahl von Sanitätseinsätzen gibt - da ist dann aber alles mit dabei: Dehydrierung, Hitzschlag, aber auch Insektenstiche und so weiter." Darauf könne man sich aber mit entsprechenden Vorkehrungen einstellen.

Unter den rund 60.000 Menschen, die das Konzert von Taylor Swift am vergangenen Freitag besuchten, registrierte die Feuerwehr allein mehr als 1000 Ohnmachtsanfälle.

Müsste es klare gesetzliche Grenzen geben?

"Wir setzen uns auf der Verbandsebene für eine Herangehensweise ein, die sich am Schutz von Publikum und Beschäftigten orientiert", sagt Hansen. "Aber starre Vorgaben sind nicht unser Ziel." Es spielten einfach zu viele Parameter eine Rolle, sodass je nach Gefährdungspotenzial auch die Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen sehr individuell seien. Letztlich müssten sich alle Verantwortlichen auf ein Maßnahmenpaket einigen, mit dem sich das verbleibende Restrisiko auf ein akzeptables Maß reduzieren lasse. "Ist das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich, bleibt mitunter nur die - für alle Seiten schmerzliche - Empfehlung, die Veranstaltung abzusagen oder zu verschieben."

Zwei Frauen unter einem Regenschirm als Sonnenschutz, eine fächert sich mit einem bunten Fächer Luft zu
Viele Fans waren enttäuscht, dass das Konzert am Samstag im Engenhao-Stadion auf Montag verlegt wurde - aus Sicht der Verantwortlichen könnte es jedoch die richtige Entscheidung gewesen sein, die Show auf einen nicht ganz so heißen Tag zu verlegenBild: PILAR OLIVARES/REUTERS

In Rio haben die Verantwortlichen das für Samstag geplante Folgekonzert von Taylor Swift um zwei Tage auf Montag verschoben, an dem deutlich niedrigere Temperaturen zu erwarten waren - und auch herrschten. Ein Gericht hat zudem angeordnet, auch auf den kommenden drei anstehenden Konzerten der Sängerin in Sao Paulo das Mitbringen bestimmter Wasserbehälter zuzulassen und die Trinkwasserversorgung zu sichern.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.