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Tourismus

Monika Hoegen7. Oktober 2006

Ferne und Exotik locken deutsche Reisende mehr denn je. Doch das Geld, das sie im Urlaubsland lassen, kommt den Armen vor Ort nicht zugute. Initiativen fordern daher "faire" und sozialverträgliche Reiseangebote.

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Strandszene mit Palmen und Sonnenschirmen auf Mauritius
Trügerisches Paradies: Bewohner von Urlaubsinseln wie Mauritius profitieren selten vom TourismusBild: AP

Große Arten- und Pflanzenvielfalt, preisgünstige Ferienangebote, freundliche Menschen - und schönes Wetter sowieso: Kein Wunder, dass es immer mehr Menschen in den Urlaub in der Zweiten und Dritten Welt zieht. Die Zahl der deutschen Urlauber, die ihre schönsten Wochen des Jahres in einem Entwicklungsland verbracht haben, lag nach einer Studie des Starnberger Studienkreises für Tourismus und Entwicklung im Jahr 2005 bei 7,7 Millionen. Der Tourismus in Entwicklungsländer erreichte damit einen Marktanteil von 16 Prozent - im Vergleich zu nur sechs Prozent im Jahr 1991. Weltweit machen die von der Welttourismusorganisation UNWTO registrierten Ankünfte in Entwicklungsländern heute 36 Prozent des Gesamturlaubsvolumens aus.

Miserable Arbeitsbedingungen im Tourismus

Davon profitieren natürlich vor allem die Entwicklungsländer selbst: Für etwa ein Drittel von ihnen stellt der Tourismus bereits eine der wichtigsten Devisenquellen dar. Außerdem schafft er Arbeitsplätze. Doch zur Armutsbekämpfung sei der Tourismus nur bedingt geeignet, findet Heinz Fuchs von der Bonner Initiative "eed TourismWatch" des Evangelischen Entwicklungsdienstes: "Es stellt sich die Frage, wer letztendlich von dieser Art des Reisens profitiert", sagt er. Viele Reisen in Entwicklungsländer seien auch deshalb so attraktiv, weil sie sehr preisgünstig angeboten, manchmal gar verramscht würden.

Diese billigen Angebote sind oft nur möglich, weil in den scheinbar so paradiesischen Urlaubsgefilden in Wahrheit Bedienstete von Hotels und Restaurants zu miserablen Arbeitsbedingungen schuften. 14-Stunden-Tage, schlechte und unpünktliche Bezahlung gehören in der Tourismusbranche in Entwicklungsländern häufig zum Alltag - auch und gerade in Luxus-Ressorts. Die lokale Bevölkerung profitiert kaum oder gar nicht von dem Reiseboom, denn insbesondere bei all-inclusive-Konzepten bleibt das Urlaubergeld in den Taschen weniger Großkonzerne - einheimische Lokale, Unterkünfte oder Geschäfte gehen leer aus.

Prinzipien des Fairen Handels auf Tourismus übertragen

"Besonders die Tsunami-Katastrophe hat gezeigt, wie mangelhaft die sozialen Sicherungssysteme für die im Tourismus Beschäftigten sind - ganz abgesehen von den vielen Menschen, die im informellen Sektor arbeiten", erklärt Heinz Fuchs. eed Tourism Watch und viele andere Initiativen weltweit fordern daher, die Prinzipien des so genannten Fairen Handels, wie es sie bereits für Lebensmittelprodukte gibt, auch auf die Reisebranche zu übertragen. Zu diesen Prinzipien zählen angemessene Bezahlung, soziale Mindeststandards, Gewerkschaftsfreiheit, menschenwürdige Arbeitsbedingungen oder auch der Ausschluss von Kinderarbeit. Bei fairen Reisen kommt noch der Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern am Ferienort hinzu.

Ein international gültiges Siegel, das faire und sozialverträgliche Reisen kennzeichnen würde - ähnlich etwa dem deutschen TransFair-Label für fair gehandelten Kaffee - gibt es bislang jedoch noch nicht. Lediglich in Südafrika existiert seit zwei Jahren das FTTSA-Siegel (Fair Trade Tourism in South Africa) für Hotels, Pensionen, Touren und Attraktionen.

Dabei gibt es sie schon länger, die Klientel, die verantwortungsvoll reisen möchte - mit möglichst wenig schädlichen Auswirkungen für Menschen und Umwelt im Gastland. Entsprechend gibt es auch schon seit einigen Jahren Angebote für "nachhaltiges Reisen". Doch die hätten meistens Umweltschutzmaßnahmen im Blick, glaubt Heinz Fuchs. Das Thema "soziale Verantwortung" hingegen sei immer noch sehr schwach entwickelt. Vor allem beim Schutz von Kindern sieht er ein großes Defizit bei Reiseveranstaltern - trotz eines Verhaltenskodex, zu dem sie sich verpflichtet hätten: "Die Umsetzung dieses - in der Gesamtsumme des Möglichen sehr kleinen - Bereiches ist ausgesprochen mangelhaft."

"Netzwerk Unternehmensverantwortung"

Um das zu ändern, haben Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen sowie Verbraucher- und Umweltverbände ein "Netzwerk Unternehmensverantwortung" gegründet. Es soll das Thema des sozialverträglichen Business', und damit auch des Tourismus', stärker in die Öffentlichkeit bringen - und vor allem in die Managementetagen der Firmen und Konzerne.

Indes haben auch die Großen der Reisebranche, wie etwa TUI oder Rewe-Touristik, eingesehen, dass sie sich dem Thema "Sozialverträgliches Reisen" stellen müssen. Doch solange Urlauber nicht bereit seien, für mehr Umweltschutz, mehr Fairness und mehr Sozialverträglichkeit auch ein wenig mehr zu bezahlen, ließen sich rundum faire Reise-Angebote kaum verwirklichen, glaubt Tourism-Watch-Vertreter Fuchs. Dennoch ist er optimistisch: "Ich glaube, dass es auch im Reisebereich zunehmend den Wunsch nach fairen Angeboten gibt." Deshalb sollten die Unternehmen der Reisebranche, die bereits etwas für die Sozialverträglichkeit ihrer Angebote tun, das auch noch stärker als bisher kommunizieren, so Fuchs. Denn Aufklärung, das sei nun mal der erste Schritt hin zu praktischem Tun.