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Nachrichten auf Russisch

24. November 2009

Der Arbeitstag beginnt gewöhnlich mit Nachrichten. Im Fall des DW-Studios Moskau mit denen des russischen Staatsfernsehens. Die wichtigsten Ereignisse des noch jungen Tages handlich serviert - sollte man meinen.

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Grafik Fernschreiber Moskau
Bild: DW

Die Morgen-Nachrichten beim staatlichen Fernsehkanal Rossija sind etwas gewöhnungsbedürftig. Held der ersten Nachricht war ein Milizionär, der bei Minusgraden eine Frau aus einem Tümpel gerettet hat. Nach Berichten über Korruption und Amtsmissbrauch innerhalb der russischen Polizei braucht die Miliz dringend positive Nachrichten. Da stellt das Staatsfernsehen gerne seinen wichtigsten Sendeplatz zur Verfügung.

Warum die Dame hinter dem Steuer einschlief und samt ihrem Wagen in dem Teich landete, bleibt weitgehend ungeklärt. Auch den Unfallwagen bekommt der Zuschauer nicht zu sehen. Dafür umso mehr stolze Milizionäre in Uniform, die die Heldentat ihres Kollegen loben.

Noch immer viel Propaganda

Präsident Medwedew im Ersten Kanal (Foto: AP)
Präsident Medwedew im Ersten KanalBild: AP

Trotz aller Dynamik und schnellen Schnitte machen die russischen Fernsehnachrichten weiter vor allem staatstragende Propaganda. Präsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin erhalten scheinbar unbegrenzt Sendezeit. Auch sonst verbreiten die drei größten Sender - Erster Kanal, Rossija und NTW - vor allem die Politik des Kreml in alle Ecken des Landes.

Schlechte Nachrichten kommen meist aus dem Ausland, Erfolge aus dem Inland und die Opposition kommt so gut wie gar nicht vor. Was an Sendezeit noch übrig bleibt wird mit bunten Meldungen gefüllt: Luxustoiletten in New York, verletzte Hund in Lettland und Weihnachtsbeleuchtung in Paris, so die Bilanz eines Tages Fernsehkonsum.

Schuld hat immer nur der Einzelne

Insgesamt gilt vielfach das alte sowjetische Prinzip: Die Schuld an Missständen tragen immer Einzelne, nicht das System. Russlands Erster Kanal, direkter Erbe des sowjetischen Gosteleradios, eröffnete am Dienstag (14.11.2009) seine Sendung mit einem Bericht über eine Baustoff-Fabrik in Tjumen, die wegen der Wirtschaftskrise ihren Angestellten seit einem halben Jahr keine Löhne mehr zahlen kann. Nun ist die Staatsanwaltschaft mehr oder weniger als Rächer der Enterbten eingeschritten und hat die Auszahlung der Löhne erzwungen.

Problem gelöst, so die Botschaft. Nur dass die Menschen höchstwahrscheinlich ohne Bezahlung arbeiten mussten, weil die Behörden die örtlichen Unternehmer darauf gedrängt haben, keine Mitarbeiter zu entlassen, das bleibt unerwähnt.

Obligatorischer Leckerbissen ist der Aufsager am Schluss eines jeden Berichts. Viel zu kommentieren gibt es im straff gelenkten Staatsfernsehen für die Reporter nicht. Wie um vom fehlenden Inhalt abzulenken, stapfen die Reporter durch metertiefen Schnee, stolpern Wendeltreppen herauf oder sagen ihren Text auf, während sie auf einem Pferd reiten. Auf den Text achtet dabei dann kaum noch jemand. Hauptsache der Zuschauer ist gut unterhalten.

Autor: Erik Albrecht

Redaktion: Kay-Alexander Scholz