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Glaube

Nachruf auf Simon – Unfromme Gedanken zu Apostelgeschichte

19. Mai 2017

2.000 Jahre Simonie: Hildegard König versucht sich in Simon hineinzudenken, dessen Name bis heute für den Handel mit geistlichen Gütern steht. Wer zahlt, bekommt den Segen Gottes – meinte Simon das wirklich so?

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Geld, um den Heiligen Geist weitergeben zu können? Wollte sich Simon einen Vorteil erkaufen oder nur dazugehören?Bild: pixelio.de/Dr. Klaus-Uwe Gerhardt

Unlängst las ich in einem Kommentar zum Wahlkampf in Frankreich, wie moralisierend derzeit die Beurteilung von Politikern ausfällt, etwa wenn ehemalige Präsidenten, die sich ihre Popularität durch überzogene Auftrittshonorare vergolden lassen, der „Simonie“, also „des Handels mit geistlichen Gütern“ bezichtigt werden.1

„Armer Simon!“, dachte ich. Du musstest fast 2.000 Jahre hindurch deinen Namen hergeben für Bestechung und Ämterkauf in der Kirche, und auch heute, in säkularisierten Zeiten, wirst du diesen Ruf nicht los. Und das alles wegen eines begreiflichen Fehlers, der dir damals unterlaufen ist.

Ich sehe dich in jener unruhigen Zeit, als in Jerusalem der Tempel zerstört wurde und es für die Frommen keine Bleibe mehr in der Stadt gab. Ich sehe dich im benachbarten Samaria und dort im Dienste deines Gottes wirken. Du warst ein Enthusiast, der die Leute in magischer Weise mitreißen und begeistern konnte. Du hattest in deinem Streben nach Weisheit, in Studien und Meditationen begriffen, dass du einen göttlichen Auftrag hattest: Als ein „Großer“ solltest du die „Kraft des Gottes, die man die Große“ nannte, offenbaren (Apg 8, 9-10), was dir offensichtlich gelang. Du konntest überzeugen und hattest mit deiner Mission Erfolg.

Offen für die göttlichen Geheimnisse

Und dann kam einer, der war besser als du. Und du, immer auf der Suche nach mehr Einsicht in die göttlichen Geheimnisse und nach neuer spiritueller Erfahrung, du hast dich nicht auf einen Konkurrenzkampf mit ihm eingelassen, sondern dich diesem anderen angeschlossen. Er hat dich fasziniert mit dem, was er zu sagen hatte und mit der Wirkkraft seiner „Zeichen und Wunder“ (Apg 8, 13). Für dich, der in die göttlichen Geheimnisse eingeweiht war, konnte dieser Mensch – die Apostelgeschichte kennt ihn als Philippus – nur ein Gottesmann sein, von dem du lernen, mit dem du leben wolltest. So hast du dich durch ihn zu einem stärkeren Gott bekehrt, bist Christ geworden und hast dich taufen lassen. Und dadurch hast du dazugehört, zur Gemeinde des Philippus, mit all deinem Wissen und deinen Fähigkeiten, die du im Laufe deines Lebens gewonnen hattest. Ich sehe dich im intensiven Gespräch mit Philippus; gebildet und erfahren, wie du warst, fand er in dir einen kundigen Gefährten.

Und dann kamen die Leute von Jerusalem, Petrus und Johannes, und überprüften die Missionserfolge in Samaria. Und sie brachten eine neue Qualität in die Gemeinden: Sie waren geistvoll und begeisterten die anderen „mit Gebet und Handauflegung“ (Apg 8, 15.17). Ein neuer Geist schaffte sich Raum, belebte die Gemeinde.

Ich kann verstehen, dass du, Simon, dabei eine Rolle spielen wolltest, dass du einer von ihnen, den Geistbegabten sein wolltest. Das war ihnen zu viel oder zu schnell, oder du warst ihnen zu fremd oder zu neu mit deinem Christusglauben. Sie zögerten, trugen Bedenken, hielten dich hin. Und da hast du es „mit Geld“ versucht, sozusagen einen Einstand angeboten in das neue Kollegium, in der Hoffnung, auf diese Weise „Anteil zu erhalten an ihrer geistigen Vollmacht“ (Apg 8, 19). Das war dein Fehler. Du wolltest unbedingt dazugehören mit deiner Kompetenz und mit deiner Spiritualität. Dafür haben sie dich exkommuniziert und verflucht: Der Heilige Geist ist nicht käuflich und sie auch nicht!

Der Heilige Geist ist nicht käuflich

Ich sehe dich, wie dir der Boden unter den Füßen wegbricht: Du, ein Gottesmann, verflucht von Gottesmännern! Schlimmer konnte es für dich nicht kommen. – Und du? – Du wirst nicht ausfällig gegen sie, sondern bittest sie um ihr Gebet, dass dich solcher Fluch nicht treffen möge…

Ich sehe dich, Simon, unter den frommen Gottsuchern. Du magst vielleicht damals noch nicht begriffen haben, dass wir von Gott nichts erzwingen können, dass wir uns nur beschenken lassen können. Aber wer, auch unter uns Heutigen, hat das wirklich begriffen? Wieviel Enttäuschung und Scheitern müssen wir erleben, bevor uns das wirklich aufgeht?

Ich wünsche dir, dass du so in der „großen Kraft Gottes“ aufgehoben bist, dass dich dort der Rufmord nicht trifft, dem du hier sehr bald schon zum Opfer fallen solltest, als man dich zum „Vater aller Häresien“ und zum Inbegriff kirchlicher Korruption machte.

1 (vgl. FAZ vom 06.04.2017, Jürg Altwegg, „Erst kommt die Politik, dann die Moral“.

Hildegard König Wort zum Sonntag Chemnitz NEU
Bild: Hildegard König

Prof. Dr. Hildegard König hat in Tübingen katholische Theologie und Germanistik studiert. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt im Bereich „Alte Kirchengeschichte und Patristik“. Nach einem Studienaufenthalt in Rom lehrte sie an den Universitäten Luzern, Frankfurt, Tübingen und an der RWTH Aachen. Nach einer Gastprofessur an der LMU München arbeitet sie seit 2011 als Professorin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin tätig.