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Nachsitzen für Wahlverweigerer

Filip Slavkovic6. Dezember 2002

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin. So geschehen in Serbien. Dort muss am Sonntag (8.12.) die Präsidentschaftswahl wiederholt werden, weil zuvor nur wenige Bürger den Weg zur Urne fanden.

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Auch ihn wollen nur Wenige wählen: Vojislav KostunicaBild: AP

Bei der Wahl an diesem Sonntag (8.12.) gibt es nur drei Kandidaten. Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica war bei der letzten Wahl der Bestplatzierte und ist jetzt der einzige demokratische Kandidat. Seine Gegenspieler aus der Opposition, Vojislav Seselj und Borislav Pelevic, sind beide Ultranationalisten und schieden beim letzten Mal im ersten Wahlgang aus - als Dritt- und Viertplatzierter. Die letzten Umfragen zeigen, dass Kostunica mit mehr als 60, Seselj mit bis 35 und Pelevicnur mit bis fünf Prozent der Stimmen rechnen können. Somit wäre Kostunica, der Slobodan Milosevic bereits vor über zwei Jahren im Amt des jugoslawischen Präsidenten ablöste, schon am Montag (9.12.) der neugewählte Präsident – wenn ihn nicht das Desinteresse des Volkes an den Wahlen daran hindert.

Kaum einer geht wählen

Die eigentliche Wahl, die bereits vor knapp zweieinhalb Monaten stattfand, musste annulliert werden, weil in der Stichwahl weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urnen gingen. Das Parlament hatte danach das Gesetz geändert und die 50-Prozent-Klausel für die Stichwahl aus dem Text gestrichen. Doch für den ersten Wahlgang gilt die Hürde immer noch.

Die Wahlbeteiligung dürfte auch dieses Mal nur geringfügig über 45 Prozent liegen. Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen sind alle drei Kandidaten national-konservativ. Die linken Kräfte sind in dem ehemals sozialistischen Land fast völlig verschwunden. Zum anderen haben die regierenden liberalen Reformer keinen eigenen Kandidaten. Das war im wesentlichen die Entscheidung der Demokratischen Partei (DS) des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic.

Streitereien blockieren Reformen

Die Demokratische Partei DS ist das wichtigste Mitglied des regierenden DOS-Bündnisses. Ein Bündnis, das die Partei von Vojislav Kostunica, bereits im Sommer verlassen hat. Die inneren Streitereien in der Koalition dauern schon mehr als ein ganzes Jahr. Der Kostunica-Djindjic-Konflikt um die Machtverteilung und den Einfluss auf die Armee, Polizei, Geheimdienste und Medien hat inzwischen das politische Leben und die Reformen im Lande fast völlig lahm gelegt.

Trotzdem vermied es Kostunica bis zuletzt eine Vereinbarung mit Djidnjic zu treffen, um sich seine Unterstützung zu sichern. Djindjic hat eigentlich kein großes Interesse an einem starken Präsidenten. Der unbeliebte, aber erfolgreiche Ministerpräsident hat sich mehrmals für eine Gesetzesänderung und die Wahl des Präsidenten im Parlament ausgesprochen. Demzufolge bleiben "seine" Wähler auch am kommenden Sonntag (8.12.) voraussichtlich zuhause.

Nationale Töne herrschen vor

Jura-Professor Kostunica versucht sich unterdessen in populistischer Rhetorik. Im Wahlkampf gab er sich als Hüter des Rechtstaates, kritisierte immer wieder den Westen für seine Rolle in den Balkan-Kriegen der vergangenen Jahre und die westlich orientierte Regierung in Belgrad für die zu harsch durchgeführten Reformen. Gegenkandidat Seselj spielt sehr stark auf die nationalistische Karte. Er bedient sich gerne einer "harten" Rhetorik und beschuldigt - ohne Beweise - sowohl den jugoslawischen Präsidenten als auch den serbischen Ministerpräsidenten der Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität. Seine Präsidentschaftskandidatur bekam diese Woche offizielle Unterstützung von Slobodan Milosevic, der wegen Völkermordes vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt ist.

Extrem nationalistisch ist auch das Programm von Borislav Pelevic. Sowohl Kostunica als auch Seselj bezeichnet er als "Verräter". Die Amtszeit des jetzigen serbischen Präsidenten, Milan Milutinovic, der vom Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen angeklagt ist, läuft die Amtszeit am 5. Januar ab. Danach könnte er vom Parlamentspräsidenten vertreten werden.