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Nahost: Fronten in Bewegung

Oliver Samson9. Mai 2006

Das Nahost-Quartett trifft sich in New York, um einen Weg zurück zum Friedensprozess zu suchen. Zunächst muss aber die Finanzhilfe für die Palästinenser geklärt werden.

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Wo geht es hin mit der Road Map?Bild: AP

Die Lage ist nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas im Januar 2006 ebenso klar wie verfahren: Die Hamas wird von den USA und der EU als Terrororganisation geächtet, weil sie weder das Existenzrecht Israels anerkennt, noch der Gewalt als politischem Mittel abschwört. Die Zahlungen der Staatengemeinschaft an die palästinensische Autonomiebehörde wurden eingestellt. Erst wenn die Hamas Israel anerkennt, soll das Geld wieder fließen.

Israel, die USA und die Hamas rücken bisher keinen Jota von ihren Positionen ab, auch wenn die Lage in den Autonomiegebieten immer prekärer wird. "Das ist natürlich ein Dilemma", sagt der Nahost-Experte Gregor Rüssel von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Brennendes Problem Finanzen

An diesem Dienstag (9.5.2006) will das Nahost-Quartett - also Vertreter der Vereinten Nationen, der USA, der EU und Russland - in New York beraten, wie es in Nahost weiter gehen könnte. Langfristig soll wieder Kurs auf den Friedensprozess der Road Map genommen werden; kurzfristig gilt es das brennende Problem der Finanzhilfe zu lösen. Im Vorfeld des Treffens sind zumindest die Fronten in Bewegung geraten.

Wolfensohns bittere Kritik

Zunächst trat James Wolfensohn Anfang Mai von seiner Position als Sonderbotschafter des Nahostquartetts in den palästinensischen Autonomiebehörden zurück. Der ehemalige Weltbankpräsident forderte die Hamas auf, ihre Haltung zu Israel und Terror zu ändern. Israel und dem Westen warf er aber implizit eine verheerende Nahost-Politik vor. Wer jetzt jede Finanzhilfe einstelle, der riskiere Chaos und Hungersnot. "Es würde mich doch erstaunen", so Wolfensohn, "wenn sich etwas erreichen ließe, wenn wir die Kinder aus den Schulen jagen oder eine Hungersnot zulassen".

Die Palästinenser sind auf die Zahlungen der Staatengemeinschaft angewiesen. Schon jetzt ist die Autonomiebehörde faktisch pleite. Auf 30 Millionen Dollar sind die monatlichen Einnahmen geschrumpft. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds brauchen die Palästinenser aber allein 45 Millionen zur Aufrechterhaltung der sozialen und medizinischen Grundversorgung. Seit zwei Monaten sind die Gehälter im öffentlichen Dienst überfällig. Nicht nur Wolfensohn, auch Hilfsorganisationen rechnen mit einer humanitären Katastrophe.

Geduldsspiel

Aus der Frage der Zahlungen hat sich ein politisches Geduldsspiel auf dem Rücken der Bevölkerung entwickelt: Vereinfacht geht es darum, ob die Hamas profitiert, indem sie eine "Aushungerungspolitik" geißeln kann, oder ob sich die Palästinenser angesichts des ausbleibenden Geldes doch wieder gemäßigteren Kräften um Präsident Mahmud Abbas zuwenden.

Russland als vierte Kraft des Nahost-Quartetts nutzt derweil die Lage, um sich als eigenständige Macht zu präsentieren - wie schon beim Atomstreit mit dem Iran. Moskau sieht die Hamas-Regierung als Ergebnis der demokratischen Wahl, die man sich so lange gewünscht hatte, und mit der man nun wohl oder übel leben müsse. "Die russische Position ist ja nicht unvernünftig", meint Russland-Experte Alexander Bahr von der Deutschen Stiftung für Auswärtige Politik. In zentralen Fragen wie Gewaltverzicht, Existenzrecht Israels oder der Road Map herrsche natürlich weiterhin Konsens. Russland wolle aber einen Alleingang der USA in Nahost verhindern, sagt Bahr.

Moskau zahlt

Ungeachtet der ablehnenden Haltung der USA zahlte Russland nun acht Millionen Dollar Soforthilfe an die Palästinenser-Regierung. Weitere Finanzhilfen seien nicht ausgeschlossen, sagte der russische Nahost-Beauftragte Sergej Jakowlew in New York. Ebenso hätten Norwegen und Japan ihre Bereitschaft zu finanzieller Hilfe ungeachtet der Hamas-Regierungsübernahme bekundet.

EU-Kommissarin Benita Ferrero Waldner
EU-Kommissarin Benita Ferrero WaldnerBild: AP

Auch die harte Linie der EU beginnt zu bröckeln. Louis Michel, zuständiger EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, kündigte 34 Millionen für palästinensische Sozialleistungen an - humanitäre Hilfe fällt nicht unter den von der EU beschlossenen Zahlungsstopp. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte Israel nun auf, die monatlich etwa 50 Millionen Dollar Steuergelder zu zahlen, auf die die Palästinenser nach internationalem Recht Anspruch haben. Zudem werde nach einem "internationalen Mechanismus" gesucht, wie man eingefrorene Hilfsgelder an der Hamas vorbei zu den Palästinensern schleusen könne.

"Wenn das Thema aufkommt"

In den USA wird inzwischen ein Palästinenser-Fond zur Diskussion gestellt, in den die ursprünglich vorgesehenen 450 Millionen Dollar eingezahlt werden könnten. Ein Außenamtssprecher in Washington meinte, dass "wir darüber reden werden." Wenn, ja "wenn das Thema aufkommt".