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Alleine auf den Nanga Parbat

Stefan Nestler3. Juli 2013

Vor 60 Jahren besteigt der Österreicher Hermann Buhl erstmals den Nanga Parbat - nach einem beispiellosen Kraftakt. Immer wieder schreibt der Achttausender Schlagzeilen, zuletzt wieder negative.

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Basislager der Nanga-Parbat-Expedition 1953
Bild: picture-alliance/dpa

"Für mich war Hermann Buhl zu seiner Zeit eindeutig der beste Allroundbergsteiger der Welt", sagt der Südtiroler Reinhold Messner über den Erstbesteiger des Nanga Parbat, der in Fels und Eis gleichermaßen stark war. Doch Buhl war auch ein Dickkopf. Anfang Juli 1953: Im Basislager zu Füßen des Nanga Parbat hat der deutsche Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer die Bergsteiger mehrfach per Funk aufgefordert, auf den Gipfelversuch zu verzichten und umzukehren. Doch Buhl widersetzt sich der Weisung. Der damals 28 Jahre alte Österreicher sieht eine gute Chance, den 8125 Meter hohen Berg in Pakistan erstmals zu besteigen. Als sein Zeltpartner Otto Kemptner nicht zur vereinbarten Zeit zum Aufbruch bereit ist, stapft Buhl allein los. 1225 Höhenmeter, über sechs Kilometer Distanz liegen noch zwischen dem höchsten Lager und dem Gipfel. In den frühen Abendstunden des 3. Juli 1953 erreicht Buhl im Alleingang den höchsten Punkt.

Messner: Eigentlich nicht zu überleben

"Ich bin mir der Bedeutung des Augenblicks nicht bewusst, fühle auch nichts von Siegesfreude, komme mir gar nicht als Sieger vor", schreibt der Bergsteiger später. "Ich bin nur froh, dass ich heroben bin und all diese Strapazen vorläufig ein Ende haben." Doch da täuscht sich Buhl. Das eigentliche Martyrium steht ihm noch bevor. Auf einem kleinen Felsvorsprung stehend verbringt er die Nacht. Buhl schluckt Tabletten gegen Erfrierungen und ein Aufputschmittel, um nicht einzuschlafen. 41 Stunden nach seinem Aufbruch kehrt er mit letzter Kraft zum obersten Lager zurück. 1995 werden japanische Bergsteiger für Buhls Weg 39 Stunden brauchen, trotz modernster Ausrüstung und genauer Wegkenntnis. "Damit wird klar, dass Buhl seiner Zeit mindestens 50 Jahre voraus war", sagt Reinhold Messner. "Für einen normalen Bergsteiger war das, was Buhl gemacht hat, nicht überlebbar." Hermann Buhl wurde nicht alt. 1957 stürzte er am Siebentausender Chogolisa in Pakistan in den Tod. Wenige Tage zuvor hatte er mit drei Österreichern den Achttausender Broad Peak erstbestiegen.

Hermann Buhl, schwer gezeichnet von den Strapazen der Erstbesteigung des Nanga Parbat. Foto: dpa
Hermann Buhl, von den Strapazen gezeichnetBild: picture-alliance/dpa

Nazis erklärten ihn zum "Schicksalsberg"

Der Nanga Parbat - übersetzt "Nackter Berg" - liegt nahe dem Industal im Norden Pakistans, am westlichen Rand des Himalaya, und ist mit 8125 Metern der neunthöchste Berg der Erde. Bereits 1895 gab es einen ersten Besteigungsversuch. Der Brite Albert Frederic Mummery und seine beiden Träger blieben verschollen. In den 1930er Jahren erklärten die Nationalsozialisten den Achttausender zum "Schicksalsberg", den sie zu Propagandazwecken unbedingt von Deutschen bestiegen sehen wollten. Fünf  Expeditionen innerhalb von sieben Jahren blieben erfolglos, zwei endeten tragisch:1934 starben drei deutsche Bergsteiger und sechs Sherpas während eines Schneesturms, 1937 wurden 16 Expeditionsteilnehmer von einer Eislawine begraben.

Nanga Parbat. Foto: dpa-pa
Der Nanga Parbat zählt zu den größten (weitgehend) freistehenden Bergen der WeltBild: picture-alliance/dpa

Streit um Messner-Besteigung

Bis heute ist der Nanga Parbat ein recht exklusiver Berg geblieben. Mehr als 300 Gipfelerfolge wurden in den vergangenen sechs Jahrzehnten verzeichnet. Zum Vergleich: Am Mount Everest wurde inzwischen die 6000er-Marke überschritten. Etwa 70 Bergsteiger starben bei dem Versuch, den Nanga Parbat zu besteigen. Die wohl meisten Schlagzeilen produzierte die Expedition von 1970, bei der Reinhold Messner und sein Bruder Günther erstmals durch die 4500 Meter hohe Rupalwand zum Gipfel auf- und anschließend auf der anderen Seite des Bergs abstiegen. Günther Messner kam dabei in einer Eislawine ums Leben, Reinhold überlebte knapp. Der Streit unter den Expeditionsteilnehmern darüber, was damals wirklich geschah, beschäftigte immer wieder auch die Gerichte. Messner gelang 1978 am Nanga Parbat auch die erste komplette Solo-Besteigung eines Achttausenders.

Verunsicherung nach Mordanschlag

In den nächsten Jahren wird es am Nanga Parbat wahrscheinlich deutlich ruhiger werden. Der Mordanschlag in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni dürfte dazu führen, dass viele Bergsteiger und Trekkingtouristen zunächst einmal einen Bogen um diesen Achttausender machen. Terroristen hatten im Basislager auf der Westseite des Nanga Parbat elf Bergsteiger erschossen. Die Gruppe, die die Verantwortung für den Anschlag übernahm, kündigte weitere Anschläge an. Sie werde so lange ausländische Touristen, vor allem aus den USA und Europa ins Visier nehmen, bis die US-Drohnenangriffe in den pakistanischen Stammesgebieten aufhörten.