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Nationalistische Fluchten

7. Oktober 2002

Bei der Parlamentswahl in der ehemaligen jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina haben die Nationalisten der muslimischen, der serbischen und der kroatischen Volksgruppe starke Zugewinne verzeichnet.

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Noch weit entfernt von Europas Normalität: Bosnien-HerzegowinaBild: AP

Den Trend zum Nationalismus bestätigen die Teilergebnisse der ersten Wahl, die die bosnischen Behörden in eigener Verantwortung organisierten. Ausländische Wahlbeobachter erklärten, die Abstimmung sei in Einklang mit internationalen Standards abgelaufen, die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent. Die bisherigen Wahlen seit dem Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 standen unter Leitung der internationalen Verwaltung. Mehr als 7000 Kandidaten von 57 Parteien und neun Koalitionen bewarben sich um Sitze im Landesparlament sowie den Landes- und Kommunalvertretungen.

Bosnien-Herzegowina ist derzeit in zwei Lager gespalten. Kroatische und serbische Nationalisten wollen Bosnien-Herzegowina entlang der ethnischen Grenzlinien aufteilen, während die bosnisch-muslimischen Nationalisten für muslimische Interessen in einem einheitlichen Staat eintreten.

Keine Chance für interethnisches Denken

Im 42-köpfigen Unterhaus des Zweikammerparlaments waren bisher die Sozialdemokraten (SDP) mit neun Sitzen stärkste Partei. Sie sind gleichzeitig die einzige Partei, die nicht allein auf eine ethnische Zugehörigkeit setzt. Dafür erhielten sie nun die Quittung. Die Sozialdemokraten verfügten zusammen mit anderen Parteien über eine Mehrheit von 22 Sitzen. Alle Parteien wollen Bosnien an Europa heranführen. Internationale Vertreter haben dabei aber schon deutlich gemacht, dass sie mit einem ethnisch gespaltenen Land, dessen Regierung nationalistische Thesen vertritt, die zum blutigsten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geführt haben, nicht zusammenarbeiten werden.

Ashdown: Ergebnis ein Schrei nach Hilfe

Der Chefkoordinator der Bosnien-Friedenshilfe (OHR), Paddy Ashdown, hat das Ergebnis der allgemeinen Wahlen in Bosnien-Herzegowina als Schrei nach Hilfe bezeichnet. Es gebe kein Erstarken des Nationalismus in dem Balkan-Staat, sagte Ashdown am Montag in Sarajevo, nachdem die nationalistischen Parteien in ihren Volksgruppen jeweils stärkste Kraft geworden sind. "Die Wahl vom Samstag war mehr als alles andere ein Protest und ein Schrei nach Hilfe", sagte Ashdown. Die regierende Koalition mit der Sozialdemokratischen Partei (SDP) an der Spitze sei nach zwei Jahren für langsame Reformen bestraft worden. Damit habe sich Bosnien in eine Reihe mit anderen Übergangsstaaten in Ost- und Südosteuropa begeben. Es müsse jetzt an effektiven Regierungen und Reformen gearbeitet werden. (dk)