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PolitikIsrael

NATO-Chef im DW-Interview: Israel in extrem schwieriger Lage

12. Oktober 2023

Per Videoschalte hat Israels Verteidigungsminister den NATO-Verbündeten die Situation in Nahost geschildert. Im DW-Interview mahnt NATO-Generalsekretär Stoltenberg, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schonen.

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Video Konferenz im NATO-Hauptquartier mit dem israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant
NATO-Generalsekretär Stoltenberg (Vordergrund) und die NATO-Verteidigungsminister werden von Israels Verteidigungsminister Galant (Bildschirm) über die Lage in Israel unterrichtetBild: NATO

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat das Selbstverteidigungsrecht Israels betont. Das Land habe jedes Recht, sich gegen den großangelegten Terrorangriff der radikalislamischen Hamaszu verteidigen, sagte der Norweger im Interview mit der Deutschen Welle. "Gleichzeitig ist es wichtig, dass Israel während der Selbstverteidigung so viel wie möglich unternimmt, um den Verlust von Leben unschuldiger Zivilisten zu vermeiden. Und dies vor allem, wenn sich wenn der Konflikt über Tage und Wochen entwickeln wird." Das sei natürlich "eine extrem schwierige Situation", räumte der NATO-Chef mit Blick auf die hohe Bevölkerungsdichte im Gazastreifenein. "Das ist eine Herausforderung."

Per Videoschalte hatte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant den Ressortkolleginnen und -kollegen im Brüsseler NATO-Hauptquartier über die Lage in Israel berichtet. Der 64 Jahre alte Ex-General sprach in kurzen klaren Sätzen und mit hartem Blick. Er zeigte ein Video mit schrecklichen Bildern von Opfern und Tatorten der Terrorattacken. Gallant ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, konsequent gegen die Terroristen der Hamas vorzugehen, die er in den vergangenen Tagen "Barbaren" und "menschliche Tiere" genannt hatte.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Boris Pistorius, Verteidigungsminister von Deutschland, unterhalten sich vor einem NATO-Logo im Brüsseler Hauptquartier
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (li.) kündigt in Brüssel Hilfen für Israel im Kampf gegen Hamas an (r.: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg)Bild: NATO/dpa/picture alliance

Allgemein wird eine Bodenoffensive der israelischen Armee unter Führung von Yoav Gallant im Gazastreifen erwartet. Die radikalislamische Hamas, die von den USA, der EU und vielen anderen Staaten als Terrorgruppe eingestuft wird, hatte am Samstag rund 1200 Menschen in Israel ermordet, darunter Kinder und Säuglinge, sowie rund 150 Geiseln genommen. Die israelische Armee reagierte mit einer Abriegelung und Bombardierung des Gazastreifens. Dabei starben nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 1400 Menschen, etwa ein Drittel davon seien Kinder.

Stoltenberg: "Alliierte verurteilen Terrorangriffe"

Die Botschaft der Sitzung mit dem israelischen Verteidigungsminister laute "Israel steht nicht alleine", sagte Jens Stoltenberg anschließend. Alle Verbündeten, so Jens Stoltenberg hätten die schrecklichen Terrorattacken der Hamas verurteilt. Die NATO forderte die Palästinenser auf, alle Geiseln, unter ihnen auch zahlreiche Angehörige von NATO-Staaten, unverzüglich freizulassen. Eine gemeinsame schriftliche Erklärung gab es von dem Ministertreffen allerdings nicht, sondern nur ein Statement des Generalsekretärs.

Auf die Frage, ob dies ein Zeichen für einen Mangel an Einstimmigkeit sei, antwortete Stoltenberg diplomatisch. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass alle NATO-Alliierten die Angriffe auf unschuldige Zivilisten verurteilen. Viele Alliierte haben praktische Unterstützung zugesagt, darunter Deutschland", sagte der NATO-Generalsekretär der DW.

Drohne Heron TP für Deutschland nach erfolgreicher Testflug auf einem Rollfeld in Israel
Zwei von Deutschland verwendete Heron-Drohnen aus israelischer Produktion werden der israelischen Armee überlassenBild: Israeli Ministry of Defense/dpa/picture alliance

Es ist allerdings kein Geheimnis, dass die Türkeietwas aus der NATO-Reihe tanzt. Ankara sieht in der Hamas keine Terrororganisation. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützte die Islamisten in der Vergangenheit sogar. Erdogan nannte die israelischen Angriffe auf Ziele im Gazastreifen am Mittwoch ein "Massaker".

Das NATO-Mitglied Türkei könnte noch eine Rolle bei Verhandlungen mit der Hamas über die Freilassung von Geiseln spielen. Präsident Erdogan hatte dies angeboten und Telefonate mit Politikern in der Region geführt.

Deutschland unterstützt Israel mit Ausrüstung

Die USAliefern bereits Munition an Israel und entsenden einen zweiten Flugzeugträger samt Begleitschiffen in das östliche Mittelmeer, wo bereits ein solcher Verband stationiert ist. Sie sollen den Staaten in der Region signalisieren, sich nicht einzumischen oder versuchen, Vorteile aus der abgespannten Lage zu ziehen. Diese Botschaft richtet sich laut NATO-Diplomaten wohl hauptsächlich an den Iran, der die Terrororganisationen Hisbollah im Libanon und Hamas im Gazastreifen bei ihren Angriffen auf Israel unterstützt.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kündigte an, dass die Bundeswehr Israel zwei Drohnen überlassen werde. Außerdem werde einer ersten Anfrage nach Munition für Kriegsschiffe entsprochen werden. "Unsere Solidarität erschöpft sich nicht in Worten", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag in Berlin.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin spricht an einem Rednerpult vor einer Reihe US-Flaggen
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin: Israel sei nicht allein - und die Ukraine auch nichtBild: Johanna Geron/REUTERS

Israel und die NATO arbeiten bereits seit 30 Jahren bei Ausbildung, Ausrüstung und gemeinsamen Manövern zusammen. Die USA betrachten Israel als vorrangigen Alliierten ohne Mitgliedschaft in der NATO und zahlen jährlich etwa drei Milliarden US-Dollar Militärhilfe an den jüdischen Staat. Vor zwei Wochen hatte Bundesverteidigungsminister Pistorius einen Rüstungsvertrag mit dem israelischen Amtskollegen Yoav Gallant unterschrieben. Israel liefert Deutschland Raketenabwehrsysteme vom Typ Arrow 3, die das NATO-Gebiet vor russischen Angriffen schützen sollen.

Unterstützung der Ukraine geht weiter

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin widersprach Vermutungen, der Nahost-Konflikt könnte die Aufmerksamkeit und Ressourcen vom Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland abziehen. "Die USA sind in der Lage, beides gleichzeitig zu bewältigen", versicherte Austin.

Selenskyj und de Croo schütteln Hände vor den Flaggen der Ukraine, Belgiens und der EU
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem belgischen Premier Alexander de Croo in Brüssel für die Zusage zur Lieferung von F-16-KampfjetsBild: Yves Herman/REUTERS

Auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg wies entsprechende Thesen im Gespräch mit der Deutschen Welle zurück. "Natürlich sind wir geschockt von der Brutalität der Terrorattacken auf Israel vom Wochenende, aber das wird nicht unseren Willen und unsere Fähigkeit untergraben, die Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen. Und das nicht nur in Worten, sondern auch mit Taten."

Am Mittwoch hatten die 54 Mitgliedsstaaten der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel dem von Russlandangegriffenen Land mehr Waffen, Ausrüstung und Munition für den Winter zugesagt. 2024 sollen die ersten F-16-Kampfflugzeuge geliefert werden. Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, war überraschend angereist und hatte eindringlich um Unterstützung geworben.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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