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NATO will abschrecken

Bernd Riegert5. Februar 2015

Der Krieg in der Ukraine muss auf diplomatischem Wege gestoppt werden - so wünscht es sich jedenfalls die NATO. Waffen gibt es von ihr deswegen vorerst keine - aber die Diskussion geht weiter.

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Treffen Nato-Verteidigungsminister in Brüssel 05.02.2015
Bild: AFP/Getty Images/J. Thys

Den Wunsch des ukrainischen Präsidenten Poroschenko nach Waffen für seine bedrängte Armee in der Ost-Ukraine wird die NATO vorerst nicht erfüllen. "Dafür kann ich keine Mehrheit bei den NATO-Partnern erkennen", sagte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach der NATO-Tagung in Brüssel. Sie selbst lehnt Waffenlieferungen klar ab. "Auch wenn die Situation zu großer Sorge Anlass bietet, halte ich Waffenlieferungen für den falschen Weg, weil sie ein hohes Eskalatonspotenzial in sich bergen, weil sie Russland einen Vorwand liefern würden, offen in den Konflikt einzugreifen", sagte die deutsche Ministerin vor Reportern im NATO-Hauptquartier.

Diese Meinung teilten auch der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der scheidende US-amerikanische Verteidigungsminister Chuck Hagel. "Es kann keine militärische Lösung geben", sagte Hagel. Sein designierter Nachfolger Ashton Carter hatte bei einer Anhörung im Senat in Washington allerdings Waffenlieferungen zur Verteidigung nicht ausgeschlossen. US-Außenminister John Kerry, der sich in Kiew aufhält, kündigte an, dass Präsident Barack Obama "demnächst" über die Bereitstellung tödlicher Waffen entscheiden wolle. Da sich das Weiße Haus aber bislang gegen Waffen für die Ukraine ausgesprochen hat, scheint die Diskussion vorerst verschoben. Einzele NATO-Staaten prüfen aber die Lieferung von sogenannten nicht-tödlichen Waffen und Ausrüstung wie Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte. Die NATO stellt der Ukraine bereits Finanzmittel für militärische Ausbildung, Computersysteme und Hilfen für Verwundete zur Verfügung.

Treffen Nato-Verteidigungsminister in Brüssel 05.02.2015
Verteidigungsministerin von der Leyen: Waffenlieferungen sind der falsche WegBild: AFP/Getty Images/J. Thys

"Keine militärische Lösung"

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte die neuerliche Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande, in Kiew und Moskau über einen Waffenstillstand und einen Friedensplan zu verhandeln. "Politischer Dialog ist der einzige Weg aus der Krise", sagte die niederländische Verteidiungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert nach dem Treffen der 28 NATO-Minister. Ursula von der Leyen, die deutsche Ressortschefin wies noch einmal darauf hin, dass sich der Appell zu einer friedlichen Lösung zu kommen, sowohl an Russland und die pro-russischen Rebellen als auch an die Ukraine richtet: "Das Entscheidende ist, dass beide Konfliktparteien verstehen müssen, dass dieser Konflikt nicht militärisch zu lösen ist.

Mit Speerspitze Russland abschrecken

Die Verteidigungsminister beschlossen den weiteren Aufbau der seit Monaten geplanten "Speerspitze". Das ist eine schnelle Eingreiftruppe im Umfang von 5000 bis 7000 Mann, die im Krisenfall innerhalb von wenigen Tagen an die Grenzen des Bündnis-Gebiets verlegt werden kann. In diesem Jahr erproben Truppen aus Deutschland, den Niederlanden und Norwegen das Konzept. Im Frühjahr 2016 soll die neue Truppe einsatzbereit sein. Sie ist zur Abschreckung Russlands und als Rückversicherung für die östlichen NATO-Partner, besonders im Baltikum, gedacht. Dann findet in der polnischen Hauptstadt Warschau der nächste NATO-Gipfel statt. Sechs große NATO-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Polen) werden abwechselnd die wesentlichen Truppenteile für die "Speerspitze" stellen."

Ukrainische Soldaten bei einer Schießübung in der Nähe von Lugansk 29.01.2015
Die Ukraine wünscht sich mehr moderne WaffenBild: Reuters/M. Levin

In den baltischen Republiken, in Polen, Rumänien und Bulgarien wird die NATO Logistikstationen mit jeweils 40 Soldaten dauerhaft einrichten, die die Einsätze der "Speerspitze" unterstützen sollen. Russland hatte die Stationierung von NATO-Soldaten in ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten oder ehemaligen Sowjetrepubliken stets kritisiert. "Es ist ein starkes Signal, das heute von der NATO ausgesendet worden ist, sowohl nach innen als auch nach außen. Es geht darum, dass die NATO schneller und flexibler reagieren kann", sagte Bundesverteidigungsministerin von der Leyen über die neue Truppe. Das Hauptquartier der schnellen Eingreiftruppe wird in der polnischen Stadt Stettin eingerichtet. Die Bundeswehr ist an den Logistikposten und dem Hauptquartier ebenfalls mit Soldaten und finanziell beteiligt, so von der Leyen.

Der "Speerspitze" folgen soll im Ernstfall die "NATO Response Force", die nach 30 bis 45 Tagen einsatzbereit ist. Sie umfasst heute 13 000 Soldaten und soll nach Ankündigung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf 30 000 Männer und Frauen ausgebaut werden. "Das wird alles natürlich Geld kosten", sagte Generalsekretär Stoltenberg. "Darüber sprechen wir dann im Juni bei der nächsten Sitzung."

Planungsgruppe für Atomwaffen tagte

Die NATO-Verteidigungsminister versicherten den Staaten Georgien und Moldawien, die beide in die EU und die NATO streben, ihre Unterstützung. Russland wurde aufgefordert, sich aus den abtrünnigen Gebieten in Georgien, Abchasien und Südossetien, zurückzuziehen. Streng geheim tagte am Vormittag die "Nukleare Planungsgruppe" der NATO, das sind alle Mitgliedsstaaten außer Frankreich. Das war wohl ein Signal an Russland, dass in den letzten Monaten zunehmend mit atomwaffenfähigen Bombern an den NATO-Außengrenzen Übungen fliegt. Diese werden von der NATO als Provokation aufgefasst. Über welche Gegenmaßnahmen in der "Nuklearen Planungsgruppe" beraten wurde, ist nicht bekannt. Der Oberkommandierende der NATO-Streitkräfte in Europa, US-General Philip Breedlove hatte aber zuvor verlangt, dass sich die NATO auch mit den russischen Tests eines Marschflugkörpers mit atomarer Bewaffnung beschäftigt. Diese neue Waffe verstößt nach Ansicht der Militärs gegen den INF-Abrüstungsvertrag, der nukleare Waffen mit einer Reichweite von 500 bis 5000 Kilometern in Europa verbietet.