1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Raketenabwehr für die Türkei

Christoph Hasselbach4. Dezember 2012

Die Außenminister des Militär-Bündnisses versprechen dem NATO-Mitgliedsland Türkei Raketenabwehrbatterien und warnen zugleich Syriens Präsident Assad vor einem Angriff mit Chemiewaffen.

https://p.dw.com/p/16vbj
Rasmussen gestikuliert am Rednerpult (Photo: Reuters)
Bild: Reuters

Die NATO-Außenminister haben beschlossen, in der Türkei Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot aufzustellen. Das NATO-Mitglied am Bosporus hatte darum gebeten, nachdem es mehrere Male von Syrien aus angegriffen wurde. Dabei waren auch Zivilisten ums Leben gekommen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nannte den türkischen Wunsch nach Bündnissolidarität verständlich: "Diese Solidarität zu gewähren, ist im Interesse des gemeinsamen Bündnisses. Sie zu verwehren, hätte entschiedene Konsequenzen im Bündnis, und es wäre auch ein falsches Signal an das Regime von Assad."

Patriot-Raketen rein defensiv

Deutschland hat zusammen mit den USA und den Niederlanden die modernste Form des Patriot-Abwehrsystems. Deswegen sei auch Deutschland gefordert, so Westerwelle - natürlich unter dem Vorbehalt, dass der Bundestag zustimmen müsse. Nach Gesprächen mit führenden Parteipolitikern habe er aber den Eindruck, dass die Verlegung des Abwehrsystems aus Deutschland in die Türkei "eine breite parlamentarische Rückendeckung bekommen wird".

Abschuss einer Luftabwehrrakete (Photo: dapd)
Patriot-Raketenabwehrsystem der BundeswehrBild: dapd

Auch sein niederländischer Kollege Frans Timmermans machte für sein Land eine Zusage unter dem Vorbehalt parlamentarischer Zustimmung. Wichtig sei dabei der rein defensive Charakter der Mission: "Es geht nicht um eine Flugverbotszone, es hat nichts mit Einsätzen innerhalb Syriens zu tun. Es geht ausschließlich um den Schutz der Türkei." Welche der drei Nationen wie viele Raketenbatterien entsendet und wo genau sie in der Türkei aufgestellt werden, war noch nicht zu erfahren. Kritiker machen immer wieder geltend, dass das Patriot-System ungeeignet ist, Granatbeschuss abzuwehren. Die Angriffe auf die Türkei von Syrien aus waren aber in erster Linie Granatbeschuss.

Keine Annäherung zwischen NATO und Russland

Die Türkei hatte gefordert, zusätzlich zur Raketenabwehr eine von der NATO überwachte Flugverbotszone über dem Norden Syriens einzurichten. Dafür wäre aber nach NATO-Auffassung ein Mandat der Vereinten Nationen notwendig. Und das ist derzeit ausgeschlossen, weil die Vetomächte China und Russland in der Syrien-Frage eine gegensätzliche Politik verfolgen. Russland ist auch gegen die Stationierung der Raketenabwehr. Der norwegische Außenminister Espen Barth Eide verbat sich russische Einmischung: "Es ist ausschließlich Sache des Bündnisses zu entscheiden, wie wir unsere Mitgliedsstaaten gegen Angriffe verteidigen."

Im Rahmen des regulären NATO-Russland-Rats haben die Außenminister am Nachmittag mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow über das Thema Syrien gesprochen. Angenähert haben sie sich dabei aber nicht. Westerwelle warnte seine Bündnispartner jedoch davor, zu scharf gegenüber Moskau aufzutreten: "Ich rate dazu, trotz der Irritationen den Gesprächsfaden nicht dünner werden zu lassen, sondern im Gegenteil, ihn zu festigen." Das Bündnis brauche Russland, um mit Krisenherden wie dem Iran oder Nordkorea wirkungsvoll umzugehen. Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte die gemeinsamen Interessen und eine gut funktionierende Zusammenarbeit wie in Afghanistan. Ziel bleibe, eine strategische Partnerschaft aufzubauen. "Wir gehen in die richtige Richtung, aber wir müssen unserer Beziehung neue Energie geben." Im Moment überschattet der Gegensatz in der Syrien-Frage alle positiven Ansätze.

"Rote Linie" Chemiewaffeneinsatz

Höchst alarmiert hat die NATO auf Gerüchte reagiert, die syrische Regierung werde die Aufständischen im Notfall mit chemischen Waffen angreifen. Damaskus hat das allerdings dementiert. Westerwelle sprach in diesem Zusammenhang von einer "roten Linie", die ein Chemiewaffeneinsatz überschreiten würde. Er erwähnte aber nicht, welche Konsequenzen das nach sich zöge, geschweige denn, was Deutschland dann tun werde.

Westerwelle vor Mikrophonen (Photo: Reuters)
Westerwelle: Gesprächsfaden zu Russland "nicht dünner werden lassen"Bild: Reuters

Der NATO-Generalsekretär meinte dazu: "Wir wissen, dass Syrien Raketen hat. Wir wissen, dass es Chemiewaffen hat. Und das muss natürlich in unsere Kalkulationen einfließen." Deswegen sei ein wirkungsvoller Schutz der Türkei so dringend geboten. Rasmussen bezog sich also auch hier mit seiner Schutzzusage nicht auf Syrien selbst oder auf die syrische Zivilbevölkerung, sondern nur auf die Türkei. Doch er fügte hinzu, "dass ein Chemiewaffeneinsatz für die gesamte Staatengemeinschaft völlig unannehmbar wäre, und wenn irgendjemand zu diesen schrecklichen Waffen griffe, würde ich eine sofortige Reaktion der Staatengemeinschaft erwarten." Doch auch hier bleibt unklar, welche Rolle die NATO dann spielen würde.