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Die Technik-Falle

23. Juli 2009

Die deutsche Wirtschaft schlägt Alarm: In den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik fehlt der Nachwuchs. Und die Lücke wird durch die demographische Entwicklung immer größer.

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Schülerinnen vor dem Computerbildschirm (Foto: AP)
Techniknahe und naturwissenschaftliche Berufsfelder sind bei Schülern unbeliebtBild: AP

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Welt weiterhin fest im Griff und macht sich mittlerweile auch durch eine steigende Arbeitslosigkeit bemerkbar. Experten gehen davon aus, dass es – wenn sich die Krise nicht abschwächt – im kommenden Jahr in Deutschland bis zu fünf Millionen Arbeitslose geben könnte. Vor allem schlecht qualifizierte Arbeitskräfte sind betroffen. Hochqualifizierte können sich über eine fehlende Beschäftigung hingegen seltener beklagen. So fehlen der Wirtschaft auch jetzt in der Krise in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik die Fachkräfte.

60.000 Fachkräfte fehlen

Schüler in einem Labor (Foto: DW)
"Raus aus der Schule - rein ins Labor"- der Wunschtraum der deutschen WirtschaftBild: DW/M. Böhm

Wer die Stellenangebote in den überregionalen Zeitungen aufschlägt oder einschlägige Jobbörsen im Internet aufruft, dem fällt eins schnell auf: Ingenieure sind nach wie vor gefragt. Ob Maschinen- oder Fahrzeugbau, Elektrotechnik oder Bauwesen, die Zahl der Stellenanzeigen ist kaum zu überschauen. Tatsächlich fehlen in deutschen Unternehmen trotz der Wirtschaftskrise derzeit rund 60.000 Fachkräfte im sogenannten MINT-Bereich, das sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ein Bereich, der für die wirtschaftliche Zukunft des Landes von höchster Bedeutung ist, sagt Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom. "Innovationen aus Naturwissenschaften und Technik haben Deutschland in die Avantgarde-Nationen der hochentwickelten Volkswirtschaften katapultiert. Und dort liegt auch Deutschlands Zukunft."

Die Wirtschaft schlägt schon länger Alarm und hat mit der Initiative "MINT Zukunft schaffen" vor einem Jahr eine Plattform geschaffen, auf der die Initiativen der deutschen Wirtschaft bundesweit gebündelt und koordiniert werden. Ziel ist es, mehr junge Leute für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium zu gewinnen. Doch das kostet Zeit. Bis aus einem raumfahrtbegeisterten Zehntklässler ein Astrophysiker oder Raumfahrtingenieur wird, vergehen in der Regel zehn Jahre. Die Erfahrung lehrt außerdem, dass es vom reinen Interesse bis zum Diplom ein weiter Weg ist, sagt der Bildungs- und Arbeitsmarktexperte Hans-Peter Klös vom Institut der Deutschen Wirtschaft: "Wenn wir den PISA-Daten folgen, dann nehmen wir in den Naturwissenschaften einen Platz im Mittelfeld ein. Aber es gelingt uns nicht, diesen Mittelfeldplatz umzusetzen in höhere Studierraten und in höhere Absolventenraten."

Die Lücke wächst

Ein Mitarbeiter von Gildemeister montiert ein Werkzeugmagazin (Foto: dpa)
Gute Ideen reichen nicht - man braucht auch Ingenieure, um sie umzusetzenBild: picture-alliance/dpa

Im Gegenteil. Jeder vierte Student der MINT-Fächer bricht sein Studium vorzeitig ab. Daher verlassen weit weniger Absolventen die Universitäten, als von der Wirtschaft gesucht werden. Spätestens mit dem Ende des konjunkturellen Abschwungs, so Klös, werde diese Lücke weiter wachsen. Dazu kommt der demographische Faktor. In den besonders gefragten Berufen scheiden schon jetzt jährlich rund 60.000 Ingenieure altersbedingt aus. Doch wie kann das Problem gelöst werden? Aus einigen Unternehmen kommt die Anregung, die theorielastigen Studiengänge zu reformieren und die Anforderungen an die Studenten zu senken. Ernst W. Messerschmid, Professor am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart, lehnt diese Forderung allerdings kategorisch ab. "Wir wollen alle nach wie vor die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, wenn wir ein Flugzeug besteigen. Und nicht unbedingt, dass der Chefingenieur nur einen Bachelor-Abschluss hat, sondern sein Metier beherrscht."

Dem stimmt Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger zu. Er mahnt aber trotzdem Veränderungen an und spricht von einer Reform des akademischen Reformprozesses. Die Studenten müssten wieder mehr Zeit für ihr Studium haben, vielleicht müsse man sich davon verabschieden, dass Bachelor-Studiengänge in nur sechs Semestern abzuschließen sind. An potenzielle Studenten, die wegen der Krise verunsichert sind, appelliert der Telekom-Personalvorstand, sich den Blick für die Berufswahl nicht verstellen zu lassen. Ein naturwissenschaftlich-technischer Abschluss biete zu jeder Zeit sehr gute Berufsaussichten. Das zeige sich auch an den aktuellen Plänen der Wirtschaft, für Absolventen auch in konjunkturschwachen Bereichen Brücken in den Arbeitsmarkt zu bauen. In der Wirtschaft ist man sich einig: Gute Ideen gibt es in Deutschland genug. Wenn aber die Ingenieure fehlen, dann wird es schwer werden, in Zukunft im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

Autor: Sabine Kinkartz

Redaktion: Rolf Wenkel