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Nazi-Grauen in der Kunst

27. März 2002

Eine New Yorker Ausstellung sorgt für Aufruhr. Die Kommerzialisierung von NS-Symbolen soll jüngere Generationen nachdenklich stimmen. Überlebende des Holocaust sind zutiefst empört.

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Steine des Anstoßes: Ein KZ von LEGOBild: AP

Die Gemüter sind erhitzt. Allen voran hat Friedens-Nobelpreisträger Elie Wiesel die Schau, die am 17. März im Jewish Museum in Manhattan eröffnet wurde, heftig kritisiert. Schon vor der Eröffnung sprach er von "Verrat", weitere Kritiker halten "Mirroring Evil: Nazi Imagery/Recent Art" für "vulgär" und "pervers".

Zynisch, kalt und provokativ

Der polnische Künstler Zbigniew Libera liefert mit seinem Werk den Stein des Anstoßes. Gezeigt wird ein Konzentrationslager als Lego-Bausatz: Lagerbaracken, Überwachungstürme und ein Krematorium. Von echtem Lego unterscheidet sich das Lego-KZ darin, dass es ein fake ist. Libera hat lediglich die Architekturen und Szenen arrangiert und fotografiert. Die Fotos klebte er auf Kartons, die wie Lego-Verpackungen aussehen. Eiskalt ist die Aufschrift: "Diese Arbeit von Zbigniew Libera wurde von Lego gesponsort."

Für große Erregung sorgte auch Alan Schechners "Selbstporträt in Buchenwald": Die Computer-Collage des britischen Multimedia-Künstlers zeigt Hungergestalten mit riesigen Augen in knochigen Gesichtern, vorne am Bildrand spannt sich das Häftlingshemd über einen durchtrainierten Körper. Der Künstler schaut ernst in die Kamera und hält dem Betrachter eine Cola-Dose entgegen, als wolle er ihm zuprosten.

Tom Sachs, ein Amerikaner, versieht Gaskanister aus Pappe mit den Logos von Chanel und Tiffany: "Giftgas-Geschenk", lautet der Werktitel übersetzt.

Provokation als Denkanstoß

Provokation? Geschmacklosigkeit? Die Stimmung ist aufgeheizt. Ausstellungskurator Norman Kleeblatt scheint das als beste Vorraussetzung für einen Ausstellungserfolg zu sehen. Das kritische Echo habe er vorausgesehen. Es gehöre zum Konzept. Die Ausstellung soll zu Fragen herausfordern, soll weitere Denkanstöße liefern. Sein Museum habe die Pflicht, "neue Ideen und Gedanken zum Holocaust vorzustellen".

Die Gesichter des Bösen

Wie stellt sich Kleeblatt diese Denkanstöße vor? Was er verfolgt, habe seit dem Ende der 90er Jahre Eingang in die Kunst gefunden: im Mittelpunkt der Aufarbeitung steht nicht mehr das Opfer, sondern der Täter. Dadurch werde der Faschismus zur Faszination, sagte Kleeblatt der Zeitung Village Voice. Das Böse hat viele Gesichter, soll der Betrachter erfahren, es ist immer noch unter uns.

Um Opfer des Nationalsozialmus nicht zu kränken, stellt das Museum jetzt Warnschilder auf. In einem separaten Raum werden die am schärfsten kritisierten Arbeiten zusammengefasst und mit dem Hinweis versehen, dass "Holocaust-Überlebende sich über diese Werke empört" hätten. Auf diese Weise erhalte jeder Besucher die Möglichkeit der Entscheidung, zu sehen was er wolle und was nicht. (cg)