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Papon ist tot

18. Februar 2007

Der französische Nazi-Kollaborateur Maurice Papon ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Papon, der es nach dem Krieg bis zum Finanzminister brachte, galt als Symbol für Frankreichs Umgang mit seiner Vergangenheit.

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Maurice Papon (2002), Quelle: AP
Maurice Papon (2002)Bild: AP

Er war der Inbegriff eines Schreibtischtäters: Der französische Spitzenbeamte Maurice Papon half den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg, Juden zu verhaften und in Todeslager zu verschleppen. Jahrzehnte später wurde der Kollaborateur ins Gefängnis geschickt, doch er sah sich stets als Justizopfer und zeigte niemals Reue. Am Samstagnachmittag ist Papon mit 96 Jahren gestorben, wie am Sonntag (18.2.2007) bekannt wurde. Seine Opfer überlebte er um sechs Jahrzehnte.

"Tüchtiger Verwalter"

Nicht nur für die Franzosen ist der Fall Papon eine Zeitreise in die dunkelsten Stunden des 20. Jahrhunderts. Vor dem Schwurgericht Bordeaux stand der alte Mann 1997/98 als stets tadellos gekleideter Herr, der es in seiner langen Nachkriegskarriere bis zum Chef der Pariser Polizei und zum Haushaltsminister gebracht hatte. Auf diese Posten blickte Papon mit genauso großem Stolz zurück wie auf seine Arbeit in der Präfektur in Bordeaux während der Kriegsjahre.

Maurice Papon 1958 als Polizeichef, Quelle: AP
Maurice Papon 1958 als PolizeichefBild: AP

Damals hatten die Nationalsozialisten im Kurort Vichy eine Regierung unter dem einstigen "Helden von Verdun", Marschall Philippe Pétain, installiert. Als Generalsekretär der Präfektur ordnete Papon 1942 bis 1944 Verhaftungen und Deportationen von Juden aus der Region an. Die deutschen Besatzer stuften ihn als "tüchtiger Verwalter" ein, "der mit schwierigen Situationen zurechtzukommen weiß". Papon sah sich selbst als untadeliger Beamter, wenn nicht als Held: In Bordeaux habe er zahlreiche Menschen gerettet, beharrte er in einem seiner seltenen Interviews vor genau drei Jahren. Nun werde ihm vorgehalten, dass er nicht alle gerettet habe.

Weder Reue noch Bedauern

Jede eigene Verantwortung für die Gräueltaten wies Papon zurück. Daher habe er auch weder "Reue" noch "Bedauern" zu äußern, was aus seiner Sicht einem Geständnis gleich käme - ihm blieben nur "Mitleid" oder "Erbarmen" mit den Opfern. Die Geschworenen in Bordeaux hatte Papon mit dieser Einstellung nicht beeindrucken können: Sie verurteilten ihn 1998 wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft. Die Höchststrafe von 20 Jahren blieb ihm erspart, weil nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob er gewusst hatte, dass die von ihm verhafteten Juden in den Tod geschickt wurden. Nach knapp drei Jahren kam er schon 2002 wieder frei - aus gesundheitlichen Gründen. Er habe von einem "großzügigen und gerechten Gesetz profitiert", betonte Ex-Gesundheitsminister Bernard Kouchner, der das entsprechende Kranken-Recht einst angeregt hatte.

Dabei sei Papon des Prinzips Gnade vor Recht "nicht wirklich würdig" gewesen. Papon wurde am 10. September 1910 als Sohn eines Notars in Gretz-Armainvilliers östlich von Paris geboren, wo er auch seine letzten Jahre verlebte. Während einige seiner Mitarbeiter wegen Kollaboration exekutiert wurden, machte Papon nach dem Weltkrieg eine steile Karriere. Als Pariser Polizeichef deckte er am 17. Oktober 1961, mitten im Algerienkrieg, ein Massaker, bei dem seine Polizisten Schätzungen zufolge 200 unbewaffnete pro-algerische Demonstranten erschlugen, erschossen und ertränkten.

Ermittlungen in Zeitlupe

1981, Papon war seit drei Jahren Finanzminister, berichtete die Wochenzeitung "Le Canard Enchaîné" erstmals über seine Rolle bei den Deportationen von Juden. Doch unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand - selbst einst Beamter unter Pétain, bevor er sich dem Widerstand anschloss - traten die Ermittlungen über 15 Jahre auf der Stelle. Vergeblich versuchte der unbeugsame Greis durch alle Instanzen, seine Verurteilung rückgängig zu machen; sie wurde 2004 rechtskräftig.

Bei dem kurz zuvor geführten Interview des Magazins "Le Point" versicherte Papon, er verurteile den Holocaust als "einen Völkermord, mit dem Frankreich und die Franzosen absolut nichts zu tun haben". Staatschef Jacques Chirac verzeihe er nicht, dass er 1995 Frankreichs Schuld an Unrechtstaten des Vichy-Regimes einräumte. Bei dem Interview posierte Papon mit den Abzeichen der Ehrenlegion, das ihm 1999 aberkannt worden war. Dafür wurde er zu 2500 Euro Strafe verurteilt. Nun soll er mit diesem Abzeichen bestattet werden. Darüber werde er "persönlich wachen", sagte Papons Anwalt Francis Vuillemin am Sonntag. (stu)