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Politik

Merkel droht Türkei mit Wahlkampfverbot

20. März 2017

Nach dem neuen Nazi-Vorwurf des türkischen Präsidenten Erdogan ist Bundeskanzlerin Merkel erstmals deutlich geworden: Schluss damit! Unterdessen rechtfertigt Ankara die Nazi-Vorwürfe als Warnung vor dem Faschismus.

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Türkei Besuch Bundeskanzlerin Merkel bei Erdogan
Anfang Februar empfing Präsident Erdogan Bundeskanzlerin Merkel noch in AnkaraBild: picture-alliance/AP Photo/L. Pitarakis

Merkel fordert Türkei zu Ende der Nazi-Vergleiche auf

"Wir ziehen diese Nazi- und Faschismusvergleiche, weil wir uns um die Zukunft unserer europäischen Freunde sorgen", sagte der stellvertretende türkische Ministerpräsident Numan Kurtulmus vor Journalisten in Ankara. Europa sei ein "enger Verbündeter, Freund und Nachbar" der Türkei und stehe vor einer "sehr schlechten Zukunft". "Wir hören das Marschieren des Faschismus und der Nazis", sagte Kurtulmus. "Dagegen müssen Schritte eingeleitet werden - wir sagen diese Sachen, damit sie nicht in die Falle des Faschismus tappen", fügte er hinzu.

Merkel: Werden nicht zulassen, dass jedes Tabu fällt

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderten dagegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nachdrücklich auf, im Streit um Wahlkampfauftritte seiner Minister in Deutschland auf Nazi-Vergleiche zu verzichten. Damit müsse Schluss sein, "ohne wenn und aber", betonte Merkel am Rande eines Besuchs der Messe CeBIT in Hannover. Die Bundesregierung werde nicht zulassen, dass jedes Tabu falle ohne Rücksicht auf das Leid der Opfer des Nationalsozialismus, sagte die Kanzlerin.

Merkel verwies auf eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes an die Türkei vor wenigen Tagen. Darin habe die Bundesregierung unmissverständlich mitgeteilt, dass Auftritte türkischer Politiker in Deutschland nur stattfinden könnten, wenn sie auf der Grundlage der Prinzipien des Grundgesetzes erfolgen. Andernfalls behalte sich die Bundesregierung eine Überprüfung der Genehmigung für die Wahlkampfauftritte vor. 

Erdogan beschimpft Merkel

Nach der Absage mehrerer dieser Auftritte hatte Erdogan Anfang des Monats deutschen Behörden "Nazi-Methoden" vorgeworfen und damit Empörung in Berlin ausgelöst. Am Sonntag hatte der türkische Staatschef dann Merkel persönlich attackiert, sie gehe mit "Nazi-Methoden gegen meine türkischen Brüder in Deutschland und die Minister" vor, die in Deutschland für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei werben wollten.

Am 16. April findet in der Türkei eine Volksabstimmung über die von Erdogan angestrebte Einführung eines Präsidialsystems statt. Damit erhielte der Staatspräsident eine fast unbeschränkte Machtfülle. Wahlberechtigt sind auch rund 1,4 Millionen der in Deutschland lebenden Türken.

                                                            Kritik des Zentralrats der Juden

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster, übte scharfe Kritik an den Äußerungen Erdogans. "Die Vergleiche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Nationalsozialismus, die wir in den vergangenen Tagen von türkischen Politikern gehört haben, sind nicht nur beleidigend und absolut falsch, sondern relativieren zugleich die Schreckensherrschaft der Nazis", betonte Schuster in Berlin. Dass Erdogan der Kanzlerin persönlich "Nazi-Methoden" vorwerfe und sogar behaupte, dass Europa wieder Gaskammern einrichten würde, wenn es könnte, "ist ungeheuerlich und verunglimpft die Leiden der Opfer der Schoah", erklärte Schuster weiter.

Schon vor der Erklärung Merkels hatte in Berlin die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer den persönlichen Nazi-Vorwurf Erdogans gegen Merkel scharf zurückgewiesen. Nazi-Vergleiche seien "inakzeptabel, egal in welcher Form", betonte Demmer.

Auswärtiges Amt für Zurückhaltung

Außenamts-Sprecher Martin Schäfer warnte davor, die Provokationen aus Ankara "mit gleicher Münze" zu beantworten. Dies würde nur Erdogan dabei nützen, seine Verfassungspläne durchzubekommen. Je mehr Deutschland "mit aller Heftigkeit" zurückschlage, "umso mehr gehen wir da dieser Taktik des türkischen Präsidenten und der türkischen Regierungspartei auf den Leim", sagte Schäfer vor Journalisten in Berlin.

Kein Kontakt zu Yücel

Der Sprecher von Außenminister Sigmar Gabriel teilte weiter mit,  Mitarbeiter der deutschen Botschaft in der Türkei hätten weiter keinen Zugang zu dem in Istanbul inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Bis zum heutigen Tag sei es nicht möglich, Yücel und andere deutsch-türkische Staatsangehörige in türkischer Untersuchungshaft konsularisch zu betreuen, sagte Schäfer. "Das ist sehr bedauerlich. Das ist auch bitter und das ist enttäuschend."

Deniz Yücel
In der Türkei in U-Haft: Journalist Yücel Bild: picture-alliance/Eventpress

Yücel, Türkei- Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" sitzt seit Ende Februar wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Untersuchungshaft. Zuvor befand er sich bereits fast zwei Wochen in Polizeigewahrsam. Sowohl der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim als auch Außenminister Mevlut Cavusoglu hatten der Bundesregierung zugesagt, dass der Journalist konsularische Betreuung erhalten könne. 

Grüne fordern Gabriel-Besuch

Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu forderte Außenminister Sigmar Gabriel auf, in die Türkei zu reisen und Yücel im Gefängnis zu besuchen. "Es kann und darf nicht hingenommen werden, dass der Journalist Deniz Yücel keine konsularische Betreuung bekommt, seitdem er in Haft ist", sagte Mutlu der Deutschen Presse-Agentur.

wl/ww (dpa, afp)