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Giftige Nachbarn

Brigitte Osterath13. Januar 2015

Forscher bezeichnen sie als "ausgeklügelte Tötungsmaschinen": Komodowarane, die größten lebenden Reptilien. Für Menschen im indonesischen Komodo-Nationalpark sind sie Alltag. Trotzdem kommt es manchmal zu Unfällen.

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Komodowaran auf Rinca. (Foto: Rainer Dückerhoff / DW).
Bild: DW/R.Dückerhoff

Erstaunlich, wie hartnäckig sich unwahre Geschichten im Umlauf halten, wenn sie nur gut klingen. So auch die Mär, dass die Opfer der Komodowarane nach einem Biss von einer Blutvergiftung dahingerafft würden. "Die Tiere sind nicht giftig, aber haben viele Bakterien im Speichel", erzählt mir prompt der Ranger, der mich auf Rinca herumführt. Rinca, Teil des Komodo-Nationalparks, ist eine der fünf Inseln, auf denen Komodowarane leben.

Komodowaran auf Rinca. (Foto: Rainer Dückerhoff / DW).
Brigitte Osterath bei den Komodowaranen auf RincaBild: DW/R.Dückerhoff

Mit einem massiven Holzstock bewaffnet, beschützt er mich vor den etwa drei Meter großen drachenartigen Geschöpfen, von denen vier gerade faul vor der Küche der Ranger-Station herumliegen. Sie sehen harmlos aus, doch das täuscht: "Die Tiere sind unberechenbar und können bis zu 20 Stundenkilometer schnell laufen", warnt mich der Ranger.

Prinzip: Zubeißen und dann warten

Vor zwei Jahren hat ein Waran einen Ranger auf Rinca ins Bein gebissen, erzählt man mir. Die Tiere sind so gut getarnt, dass man sie erst bemerkt, wenn es zu spät ist.

In Rinca Village, einem Fischerdorf am anderen Ende der Insel, weiß jeder, den ich frage, eine ähnliche Geschichte zu erzählen - einige davon mit tödlichem Ausgang. "Ein Freund von mir wurde gebissen, als er sich drüben im Wald erleichtern wollte und dort aus Versehen auf einen der Drachen trat", erzählt mir ein 19-jähriges Mädchen. "Er starb noch an Ort und Stelle."

Gefährlich sind die Komodowarane also tatsächlich - die Blutvergiftungsgeschichte stimmt aber trotzdem nicht: Schon 2009 #link:http://www.pnas.org/content/106/22/8969:zeigten Forscher#, dass nicht irgendwelche Bakterien im Speichel den Biss der Reptilien tödlich machen, sondern Giftdrüsen, womit die Warane insgesamt fünf verschiedene Gifte produzieren. Ähnlich wie bei Schlangen, führt das zu Krämpfen, plötzlichem Blutdruckabfall und aussetzender Blutgerinnung - das Opfer ist nach einem Biss wehrlos und verblutet.

Aluistari (19 Jahre, rechts) und Farida (25) leben mit Komodowaranen als Nachbarn. (Foto: Rainer Dückerhoff / DW)
Aluistari (19 Jahre, rechts) und Farida (25) leben mit Komodowaranen als NachbarnBild: DW/R.Dückerhoff

Respekt ja, Angst nein

Als ich die Menschen in Rinca Village frage, ob sie sich nicht sehr vor den lebensgefährlichen Reptilien fürchten, schütteln sie zu meiner Verwunderung nur lächelnd den Kopf. "Für uns ist es ganz normal. Wir sind hier aufgewachsen. Die Drachen waren immer schon da."

Lediglich um ihre Kinder habe sie Angst, gibt eine 25-jährige Mutter zu. Aber denen habe sie eingeschärft, nur innerhalb des Dorfes zu spielen und von den Waranen Abstand zu halten. "Und da halten sie sich auch dran."

Auf dem Bild: Pfahlbauten in Rinca Village stellen sicher, dass keine Komodowarane ins Wohnzimmer kommen. (Foto: Rainer Dückerhoff / DW).
Pfahlbauten in Rinca Village stellen sicher, dass keine Komodowarane ins Wohnzimmer kommenBild: DW/R.Dückerhoff

Es gibt auf der ganzen Welt nur etwa #link:http://dx.doi.org/10.1016/j.biocon.2014.01.017:2500 Komodowarane#. Die Art ist streng geschützt, und zu meinem Erstaunen finden die Einwohner von Rinca Village das auch gut. "Dank dieser Tiere kommen viele Touristen aus der ganzen Welt hierher", sagt die 25-jährige Mutter. "Wir verdienen daran: Wir haben hier einen Laden, und mein Mann ist Nationalpark-Ranger."

Bei meiner Bootsfahrt von Rinca zurück zur indonesischen Insel Flores muss ich an Bär Bruno denken, der im Jahr 2006 von Italien nach Bayern einwanderte: seit über 170 Jahren der erste wilde Braunbär in Deutschland. Aber er galt als zu gefährlich und wurde in den ewigen Bärenhimmel geschickt. So geht man in Deutschland mit gefährlichen Tieren um. Auf Rinca lernt man stattdessen, mit ihnen zu leben - sicher auch deshalb, weil das Leben dort ohne Touristen noch härter wäre, als es sowieso schon ist.