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Nebenschauplätze haben Konjunktur

Bernd Gräßler29. Oktober 2004

Die wirklich überraschenden Dinge in der Politik passieren nicht im Plenarsaal oder am Verhandlungstisch. Sondern beispielsweise beim Joggen.

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Außenminister Joschka Fischer fand beim Lauf gegen die überschüssigen Pfunde zu sich selbst. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement gelang es diese Woche beim Morgenlauf an der Spree, mit Frankreichs Wirtschaftsminister sogar höchst gegensätzliche Positionen in der Industriepolitik zu klären und ein enges Bündnis zu schmieden.

So hieß es hinterher. Und das alles in einer halben Stunde. Künftig, so sagte Clement, wolle man häufiger zusammen joggen. Vielleicht sollten dies auch jene beiden Politiker tun, die in dieser Woche die dicksten Schlagzeilen machten. Im Stuttgarter Rathaus fing sich ein Bundestagsabgeordneter aus Berlin drei kräftige Ohrfeigen ein. Zum Glück nicht von irgendjemanden, sondern von einem Staatsminister. "Drecksau" soll der den Berliner beschimpft haben, behaupten Ohrenzeugen, außerdem "Verräter" und Rädelsführer".

Und nur weil der Mann ein bisschen gegen den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel intrigiert habe. Du meine Güte, Macht der Gewohnheit, der Mann muss sich seit zwei Jahren im hauptstädtischen Politikgeschäft behaupten!

Trotz solch eindrucksvoller Auftritte sinkt das Ansehen von Politikern in der Öffentlichkeit immer mehr. In den meisten Umfragen rangieren sie noch hinter den Journalisten. Klaus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, hält Politiker in Berlin für entbehrlich. Für ihn sei nicht "der Schröder" Hauptstadt, oder die anderen beliebig austauschbaren, langweiligen Politiker, sondern die großen Theaterleute oder Schriftsteller dieser Stadt, ließ sich der Meister vernehmen.

Das ist ungerecht, vor allem der PDS gegenüber, die in Berlin ihre Hochburg hat und immer wieder durch originelle Vorschläge für Abwechslung sorgt. Diesmal wollen die Linkssozialisten eine Straße im Regierungsviertel umbenennen: die Mohrenstraße. Sie trage einen rassistischen Namen und solle künftig Nelson-Mandela-Straße heißen. Der Name Mohrenstrasse geht laut Historikern auf Afrikaner zurück, die im 17. Jahrhundert aus deutschen Kolonien nach Berlin gebracht wurden und in jener Straße in Berlins Mitte Quartier fanden. Der Berliner Volksmund nannte die Straße daraufhin Mohrenstraße, was aus heutiger Sicht zweifellos unkorrekt war aber drei Jahrhunderte überdauerte.

Einschließlich 40 Jahren Sozialismus, in denen - aufgepasst - in der Mohrenstraße das internationale Pressezentrum der DDR-Regierung untergebracht war. Ohne dass jemand an der Adresse Anstoß nahm. Behaupte noch einer, die PDS arbeite nicht konsequent ihre Vergangenheit auf.