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Neidkampagne gegen EU-Abgeordnete

Bernd Riegert, Brüssel15. Oktober 2003

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Soll dieser Grundsatz auch im Europäischen Parlamente gelten? Im Prinzip ja, aber seit Jahren scheitert dort eine gerechte Besoldung an nationalen Eigenheiten und einer Prise Sozialneid.

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Was ist das Problem? Die 626 EU-Parlamentarier bekommen für Debatten und Ausschusssitzungen monatlich die gleichen Diäten ausgezahlt, wie ihre Kollegen in den jeweiligen nationalen Parlamenten. Das führt dazu, dass italienische Abgeordnete mit rund 11000 Euro in Saus und Braus leben während spanische Abgeordnete nur knapp 3000 Euro kassieren. Seit mehr als zehn Jahren kämpfen die Parlamentarier deshalb um ein Statut zu ihrer eigenen Besoldung, dass in den EU-Verträgen vorgesehen ist, aber von den Staats- und Regierungschef gebilligt werden muss. Als Kompromiß liegen 8600 Euro pro Nase auf dem Tisch, was z. B. den deutschen Vertretern eine Diätenaufbesserung von 1500 Euro bringen würde.

Schwedens Blockade

Beim letzten Anlauf 1999 blockte Schweden ab, weil ein Schwede in Straßburg oder Brüssel partout nicht mehr verdienen sollte, als ein Schwede in Stockholm. Beim neuerlichen Anlauf vor der Verabschiedung der EU-Verfassung mäkeln jetzt die Außenminister an der günstigen Besteuerung, die sich die EU-Parlamentarier genehmigen wollen. Sie beharren auf der Besteuerung unter EU-Gemeinschaftsrecht mit einem Spitzensteuersatz von nur 25 Prozent. Das ist in dem Ministerrat zu großzügig.

Flankenschutz erhält er von der größten Boulevardzeitung Europas, der deutschen BILD, die am Dienstag den "Steuerirrsinn" anprangerte. Die BILD-Zeitung vergass nur zu erwähnen, dass der günstige EU-Steuersatz bereits heute für die 20000 EU-Bürokraten, EU-Kommissare, Richter und andere mehr gilt. Da sie demnächst nicht mehr aus den nationalen Diätenkassen, sondern aus dem europäischen Topf bezahlt werden sollen, müsse für sie auch europäisches Steuerrecht gelten, argumentieren die Parlamentarier.

Schlechter Ruf

Die Debatte über das Salär der Europäischen Abgeordneten wird das Ansehen des Parlaments kurz vor den nächsten Europawahlen im nächsten Juni kaum heben. In der öffentlichen Meinung gilt das Parlament, das wenig Kompetenzen hat, manchmal als kostspieliger Zeitvertreib für abgehalfterte Politiker, die daheim nichts mehr werden können. Der eigentliche Gesetzgeber für Europa ist der Rat, also die Vertretung der nationalen Regierungen.

Das drastische Einkommensgefälle im Parlament wird sich mit der Erweiterung im Mai 2004 noch verschärfen. Ein polnischer Abgeordneter bekäme demnächst 564 Euro, mit denen man in Brüssel nicht überleben kann. Sollte allerdings die einheitliche Regelung tatsächlich irgendwann greifen, bekäme ein ungarischer Abgeordneter mit dann 8600 Euro das Vielfache des Gehalts des ungarischen Regierungschefs.

Unehrliche Auswege

Die Abgeordneten, die heute statistisch als Kirchenmäuse gelten, haben ganz pragmatische Lösungen gefunden, um ihre Diäten aufzubesseren. Sie reisen viel , denn die Reisekosten sind nicht gedeckelt. Pro Tag Abwesenheit können 250 Euro Spesen kassiert werden. Für die Arbeit im Wahlkreis zuhause können jeden Monat mehrere tausend Euro abgerechnet werden. Niemand muss hungern, aber ehrlich ist diese Lösung auch nicht.