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Nervosität im Berliner Regierungsviertel

Jens Thurau12. März 2005

Die Massenarbeitslosigkeit macht der Bundesregierung die Arbeit schwer. Sie wird nervös. Und die Opposition wittert ihre Chance, schreibt DW-WORLD-Kolumnist Jens Thurau aus Berlin.

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Wer dieser Tage zwischen Reichstag, Kanzleramt, Wilhelmstraße und dem Boulevard Unter den Linden in Berlin unterwegs ist - im Regierungsviertel also - der kann noch mehr eilig daherschreitende Politiker bewundern als sonst, mit dem Handy am Ohr, wie immer, aber noch einen Tick geschäftiger als üblich. Es herrscht Nervosität in der Schaltzentrale. Anhänger der rot-grünen Regierung sprechen von einer gefährlichen Krise, Gegner von einer Götterdämmerung, vom ersehnten möglichen Ende des rot-grünen Experiments.

Die Gründe: Immer noch, wie seit gut zehn Tagen, die magische Zahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen, die Visa-Affäre, die sinkenden Umfragewerte der Regierung, die schlechten Chancen für Rot-Grün bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. Verliert sie da, dann gibt es mehr als nur Indizien für ein Ende der Regierung. Dann können SPD und Grüne bis zur Bundestagwahl praktisch nicht eigenständig handeln; dann hat die Opposition im Bundesrat eine Zweidrittel-Mehrheit.

Desaster

Nervös ist vor allem die SPD: Am Dienstag wollte die Fraktion Reinhold Robbe als Kandidaten für die Wahl des Wehrbeauftragten benennen - aber der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses wurde mit nur 97 zu 95 Stimmen bestimmt - ein Desaster. Nicht wenige sehen darin eine Niederlage auch für SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering, der sich für Robbe einsetzte. Die Wahl im Bundestag, die geheim ist und bei der Robbe auf fast alle Stimmen von SPD und Grünen angewiesen ist, ist auf April verschoben worden.

Am Donnerstag kassierten SPD und Grüne im Bundestag dann die erste Abstimmungsniederlage seit der Wiederwahl 2002. Die Regierungsfraktionen wollten einen Antrag der Union zum Thema Geschlechtergerechtigkeit zurückweisen, aber dafür waren nicht genügend Koalitionsvertreter im Saal, die Union kann den Antrag jetzt erneut einbringen. Eine Regierung in der Auflösung, höhnte CDU-Generalsekretär Volker Kauder.

Wie weiter?

In der vor uns liegenden Woche geht es weiter: Am Dienstag (15.3.2005) will Bundespräsident Horst Köhler eine Brandrede gegen die Arbeitslosigkeit halten, am Donnerstag trifft Bundeskanzler Gerhard Schröder die Spitzen von CDU und CSU zu einem Krisengipfel. Ein Treffen, das auf Vorschlag der Union zu Stande kam, die es derzeit schafft, die Regierung beim wichtigsten Thema Arbeitsmarkt vor sich her zu treiben. Kein Wunder also, das beide nervös sind: Die angeschlagene Regierung - und die Opposition, deren Aktien derzeit so gut stehen wie lange nicht mehr ...