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Nervosität und ein Plan B beim Weltmeister Brasilien

Gabriel Fortes (sv)12. Juni 2006

Für die brasilianischen Medien gibt es in diesen Tagen nur ein Thema: Wie steht es um die Belange der "Seleção"? Die Brasilianer wollen alles wissen über ihre Helden, sogar was bei ihnen auf den Teller kommt.

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Begeisterung bei Spielern, Medien und FansBild: AP

In der Hoffnung, dass der amtierende Weltmeister Brasilien den sechsten Titel holt, schickten alle großen brasilianischen Tageszeitungen und Fernsehsender des Landes Journalisten zur WM. "So viele wie nie zuvor", versichert Luiz Fernando Lima, Sportchefredakteur beim Globo TV, der 180 Mitarbeiter im Einsatz in Deutschland hat. "Die hohe Zahl von Medienprofis bei dieser WM hängt mit dem Boom der neuen Medien zusammen. Internet ist mittlerweile ein wesentlicher Teil unserer Berichterstattung", erklärt Lima.

Brasilianische Medien selbst im Fokus

Die Investitionen der brasilianischen Mediengruppen für die WM 2006 sind enorm, aber sicherlich nicht so hoch wie die Einnahmen durch Werbung. Über genaue Zahlen will freilich keiner reden. "Es handelt sich um hohe Summen, die sowohl die Wünsche der Zuschauer als auch die der Sponsoren zufrieden stellen sollen", sagt Journalist Lima.

Langsam gewöhnt er sich daran, selbst im Fokus der medialen Aufmerksamkeit zu stehen. "Wir haben ein Pressezentrum in Königstein aufgebaut, wo wir bereits Besuch von deutschen, französischen, italienischen und spanischen Kollegen empfangen haben", erzählt er. In dem Ort ist die brasilianische Mannschaft einquartiert und jede Menge brasilianische Journalisten sind zu sehen. Ähnlich sah es kurz vor der WM im kleinen schweizerischen Städtchen Weggis aus, als die brasilianischen Stars dort trainierten.

Plötzliches Interesse

Die riesigen Berichterstattermannschaften haben auch aufgrund des allgemeinen und plötzlichen Interesses der Brasilianer für Deutschland den Atlantik überquert. Mit Begeisterung wird zum Beispiel viel über die deutsche Küche berichtet. Die südbrasilianische Mediengruppe RBS, die in allen Bereichen (Fernsehen, Hörfunk, Printmedien und Online) tätig ist, sendete alleine nach Königstein 25 Journalisten. Der kleine edle Ort im Taunus wird dann durch und durch erkundet.

So gibt die der RBS Gruppe zugehörige Tageszeitung Zero Hora aus Porto Alegre täglich eine spezielle WM-Beilage mit zwölf Seiten heraus. Und das ist nur der Anfang. "Wir werden die Seitenzahl erhöhen. Es geht eigentlich um mehr als Fußball. Die Leute in Brasilien wollen vieles über Deutschland erfahren, über das Essen, die Städte, die Gewohnheiten", sagt Sportredakteur David Coimbra.

Schwierige Sprache

"Die Leser wollen alles wissen, insbesondere über die Städte, in denen die Seleção sich gerade aufhält", glaubt Eduardo da Costa, Sportchefredakteur bei der Tageszeitung Folha de São Paulo, die größte und einflussreichste brasilianische Tageszeitung, mit einer Sonntagsauflage von einer Million Exemplaren. Bei der WM beschäftigt die Zeitung insgesamt 57 Journalisten, 17 davon sind bereits in Deutschland. Diese haben vor der Einreise nach Deutschland in Brasilien einen Deutschkurs besucht. Alle zusammen, in der Redaktion.

"Eine Sprachlehrerin vom Goethe-Institut wurde extra einbestellt. Alle die hier sind, haben an dem Kurs teilgenommen, aber gelernt ist eine andere Sache. Deutsch ist eine schwierige Sprache", seufzt Da Costa. Folha begleitet allerdings nicht nur die Seleção, sondern auch alle bereits bekannten Gegnermannschaften.

Zeitalter der Weblogs

Was bei keiner brasilianischen Zeitung, keinem Fernsehsender oder Radio, fehlt, ist ein "blogueiro", der direkt aus Deutschland schreibt. Die Weblogs der Journalisten und Kolumnisten begleiten die WM fleißig mit Alltagsgeschichten, kleinen Witzen und Informationen über die Kulissen der Fußballwelt.

"Das Interessante daran ist", denkt Da Costa, "dass man in einem Weblog parallele Sachen miterzählen kann, die man nie in eine Zeitung einbringen würde. Das ist ein tolles Medium, das noch weiter wachsen wird. Ein Blog hat etwas Leichtes, Spielerisches, beinhaltet aber dabei eine Menge Information. Es ist eine gute Ergänzung zur traditionellen Berichterstattung", fasst der Journalist zusammen.

Plan B

Und was passiert bei so einem Aufwand, wenn Brasilien, trotz aller Erwartungen, früher nach Hause muss? Die Frage begeistert keinen der in Deutschland "stationierten" Medienprofis, in Betracht ziehen müssen sie es aber dennoch. Deswegen ist bei allen ein Plan B in der Tasche: Bis zum Ende bleiben, aber mit einer deutlich reduzierten Mannschaft.

"Klar berichten wir für unser Publikum. Und wenn Brasilien ausscheiden sollte, dann wird dieses Interesse wesentlich geringer. In jedem Fall bleiben wir bis zum Finale, müssen aber das Personal drastisch schrumpfen lassen", sagt Globo Reporter Lima.

"Wir brauchen einen Plan B, falls Brasilien nicht weiter kommt. Dann müssen viele von uns doch zurück", erklärt Da Costa. Die Erwartungen, dass dies nicht passiert, sind aber groß. Und die Erklärungen für so einen nationalen Medientrubel auch: Die WM ist das einzige internationale Ereignis, bei dem Brasilien als Protagonist auftritt. Und das scheint man im großen Stil ausnutzen zu wollen.

Die Wahrheit liegt jedoch auch für Brasilien auf dem Platz. Und dort müssen sich die Spieler in diesem Turnier zuerst gegen Kroatien beweisen. Anpfiff ist am 13.6. um 21 Uhr in Berlin.