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Neues Parlament

24. April 2009

Viele Isländer verloren durch die Krise ihre Ersparnisse und Jobs, die Inflation liegt bei fast 20 Prozent. Ministerpräsident Haarde wurde aus dem Amt gejagt. Am Samstag (25.04.2009) finden Neuwahlen auf der Insel statt.

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Demonstrierende Menschen (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Isländer haben mit ihren Demonstrationen Anfang des Jahres die Neuwahlen erzwungenBild: picture-alliance/ dpa

In einem kleinen Fischimbiss im Hafen von Reykjavik sitzt die 28-jährige Maria Sigfúsdóttir auf einer Holzbank. Zwei Meter entfernt schläft ihre Tochter im Kinderwagen. Erst wenige Wochen auf der Welt ist das kleine Mädchen mit mehreren Millionen Kronen verschuldet, dem isländischen Kollaps sei Dank: "Das ist einer der Gründe, warum die Isländer so erbost sind: Es sind Kinder und normale Bürger, die mit dem Vabanquespiel der Banken und Wirtschaft nichts zu tun hatten, die nun die Rechnung bezahlen", sagt Maria Sigfúsdóttir.

Verzweiflung und Ratlosigkeit

In der Halle einer Bank stehen Menschen (Foto: Per Henriksen)
Viele Isländer machen sich Sorgen um ihre ZukunftBild: Per Henriksen

In der Familien- und Schuldnerberatung der Stadt Reykjavik herrscht eine ähnliche Stimmung. "Die Leute sind sehr emotional, viele weinen und fragen sich, was aus ihnen werden sollen", erzählt die Leiterin der Behörde, Ásta Helgadóttir.

Die Zahl der Beratungen sei seit dem Ausbruch der Krise im Oktober 2008 stark angestiegen. Ihre Mitarbeiter aber könnten nicht viel mehr tun, als die Menschen zu beruhigen. "Die Menschen haben kein Vertrauen mehr - nicht in die Banken, nicht in die Regierung, nicht in das Parlament", sagt sie. Es werde eine Zeit dauern, diesen Graben zu überwinden. Dabei sei der Tiefpunkt der Krise noch gar nicht erreicht, so Helgadóttir.

Keine neuen Alternativen

Porträt von Haarde (Foto: AP)
Regierungschef Geir Haarde musste gehen, doch wird die neue Regierung es besser machen?Bild: ap

Dennoch wird das politische System auch nach den vorgezogenen Wahlen bleiben, wie es jetzt ist. Das jedenfalls deuten die jüngsten Umfrageergebnisse an. Die Gewichte unter den vier größten Parteien des Landes könnten sich verschieben, die Grünen können ihre Mandate aller Voraussicht nach verdoppeln.

Doch zwei Bürgerbewegungen, die aus der Krise hervorgingen, werden wohl unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben. Wirtschaftswissenschaftler Haukur Ingi Jónasson von der Universität in Reykjavik zeigt sich enttäuscht: "Auf Island gibt es sehr viele Talente - junge, kluge Köpfe mit klaren gesellschaftlichen Vorstellungen, die genau wissen, wie man die Wirtschaft reformiert, wie man Verhandlungen mit dem Ausland führt. Aber diese Leute stehen auf keinem Wahlzettel. Wir haben nur die Alternative zwischen den altbekannten Kandidaten."

Island als Beitrittskandidat?

Die EU-Flagge und Islands Flagge nebeneinander (Foto: dpa/DW-Fotomontage)
Wird Islands neue Regierung Richtung EU gehen?Bild: dpa / DW-Fotomontage

Die rot-grüne Regierung wird aller Voraussicht nach im Amt bleiben. Dann stellt sich die Frage, wie sie mit dem Thema Europa umgehen wird. Die Sozialdemokraten plädieren für einen baldigen Beitritt zur EU und Eurozone. Die Grünen sind aber strikt gegen einen solchen Schritt, ebenso wie eine Mehrheit der Bevölkerung. Gerade die Fischer haben massive Vorbehalte. Niemand werde auf ein so kleines Land hören, befürchtet Jón Gauti Dagbjartsson aus Grindavik. "Das Schlimmste aber ist, dass dann alle Flotten Europas hier in unseren Gewässern fischen würden. Wir haben selbst genügend Probleme, schon heute hadern wir mit den zu geringen Quoten", sagt er.


Neuwahlen hin oder her - Diskussionsstoff und Krisenmanagement, so viel steht fest, wird es auch über den Tag der Wahlen (25.04.2009) hinaus geben.


Autor: Marc-Christoph Wagner

Redaktion: Julia Kuckelkorn