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Neue Ansätze gegen Zivilisationskrankheiten

23. Oktober 2009

Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck greifen immer stärker um sich. Neue Wege in der Medizin und der Vorbeugung können dagegen helfen, sagt der ehemalige Leiter der Charité, Prof. Detlev Ganten

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DW-WORLD.DE: Die Zahl der Menschen mit zu hohem Blutdruck steigt gewaltig an. Weltweit leiden rund eine Milliarde Menschen an Bluthochdruck. Was läuft schief in unserer Welt?

Prof. Detlev Ganten (Foto: DW-TV)
Bluthochdruck bekämpft man besten durch Vorbeugemaßnahmen, wie mehr Sport, gesunde Ernährung oder Gewichtskontrolle.Bild: DW-TV

Detlev Ganten: Ja, was läuft schief? Unser Körper entsteht ja nicht, wenn er geboren wird, sondern die Biologie des Körpers ist so alt wie das Leben an sich: 3,5 Milliarden Jahre tragen wir in unserem Erbgut mit - das Erbe des Lebens, der Lebensentstehung. Und die Biologie hat sich nicht so schnell weiterentwickelt wie unsere zivilisatorischen, kulturellen Lebensumstände. Daraus entstehen die Zivilisationskrankheiten: aus der Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Biologie auf der einen Seite und unserer Umwelt auf der anderen Seite. Bluthochdruck ist eine solche Zivilisationskrankheit.

Zu wenig Bewegung

Wir sitzen heute also zu viel in unseren Büros und gehen zu wenig auf die Jagd, bewegen uns zu wenig und haben vielleicht auch bei der Ernährung einiges falsch gemacht...?

Ja. Als der Mensch zum Homo Sapiens wurde und sich aus der Savanne in Afrika zum Kulturwesen weiterentwickelte, da lief er zunächst vor den großen Tieren weg und hinter den kleinen Tieren her, um seine Ernährung sicherzustellen. Das tun wir heute nicht mehr. Wir gehen irgendwo hin und kaufen etwas: Wir kaufen Zuckerbomben und trinken zu süße Getränke. Wir bewegen uns nicht genug. Und in der Tat, das bekommt unserem Kreislaufsystem nicht gut.

Vor kurzem fand der Weltgesundheitsgipfel in Berlin statt. Sie sind der Präsident, es waren viele hochrangige Wissenschaftler dabei. Generell ging es eher um globale Gesundheit. Aber auch die individualisierte Medizin war dort Thema. Gibt es die Hoffnung, dass man auch Bluthochdruck mit Hilfe der individualisierten Medizin besser behandeln kann?

Ja, die Genomforschung macht natürlich Riesenfortschritte. Wir können in Zukunft das menschliche Genom wahrscheinlich zum Preis von 1000 Euro für den einzelnen Patienten sequenzieren. Daraus werden sich wichtige Hinweise für genetische Risikofaktoren und auch für eine individualisierte, personalisierte Medizin ergeben, möglicherweise auch mit neuen Medikamenten. Entscheidend bei der personalisierten Medizin ist aber nicht nur die Hochtechnisierung, sondern auch die persönliche Verantwortung. Wenn wir eigene Risiken kennen, dann können wir uns auch sehr spezifisch darauf einstellen und selbstverantwortlich für die eigene Gesundheit sorgen. Das ist genauso wichtig wie der medizinische Eingriff.

Bessere Vorbeugung durch Individualmedizin

Individualisierte Medizin bedeutet ja, dass man aufgrund des eigenen Genprofils vielleicht eher entscheiden kann, welche Medikamente besser wirken, oder?

Ja, Sie können aufgrund des Genprofils bei Bluthochdruck, aber auch bei vielen anderen Krankheiten wie etwa Krebs ganz spezifische Medikamente auswählen, die dann auch wirken und die richtige Dosierung darstellen.

Wird man eines Tages dazu kommen, dass man direkt nach der Geburt einen kompletten Gen-Check macht, um alle angeborenen Eigenschaften auszuloten, und dann entsprechend zu leben?

Es wird technisch möglich sein, aber da muss man, wie bei der Apparate- und Labormedizin insgesamt, darauf achten, dass kein Missbrauch betrieben wird und dass die Technik in den richtigen Händen bleibt. Das ärztliche Gespräch bleibt aber immer unersetzbar.

Interview: Ingolf Baur

Redaktion: Ranty Islam

Diesen Beitrag sehen Sie in der aktuellen Ausgabe von Projekt Zukunft, dem Wissenschaftmagazin auf DW-TV

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