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Politik

Neue Ausfälle der Türkei gegen Deutschland

7. März 2017

Der türkische Außenminister Cavusoglu legt sich bei einem Wahlkampfauftritt in Hamburg keinerlei Zurückhaltung auf. Kanzlerin Merkel rät zu Souveränität im Umgang mit dem NATO-Partner.

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Der türkische Außenminister Cavusoglu mit Anhängern in Hamburg
Der türkische Außenminister Cavusoglu mit Anhängern in HamburgBild: picture-alliance/Anadolu Agency/Turkish Foreign Ministry/A. Gumus

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat Deutschland bei einem Auftritt in Hamburg scharf kritisiert. Cavusoglu warf Deutschland nach einer Übersetzung des Fernsehsenders n-tv eine "systematische Gegnerschaft zur Türkei" vor. "Bitte hört auf, uns Lektionen in Menschenrechten und Demokratie zu erteilen", rief Cavusoglu mit Blick auf die Umstände seines Auftritts hinzu.

Der Minister hatte ursprünglich in einer Halle im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg vor Hunderten Landsleuten auftreten wollen, um für die Einführung des von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystems in der Türkei zu werben. Die Behörden beanstandeten bei der Begehung jedoch erhebliche "brandschutzrechtliche Mängel" und untersagten die Veranstaltung. Der Minister sprach schließlich von einem Balkon der Residenz des türkischen Generalkonsuls in der Hansestadt aus.

Türken in Deutschland stimmberechtigt

Durch das Präsidialsystem würden die Machtbefugnisse Erdogans auf Kosten des Parlaments weiter zunehmen. Bei dem Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April sind auch rund 1,4 Millionen in Deutschland lebende türkische Staatsbürger stimmberechtigt. Cavusoglu warf den deutschen Behörden vor, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen und auf ein "Nein" beim Referendum hinzuarbeiten

Demonstranten vor dem türkischen Generalkonsulat
Demonstranten vor dem türkischen Generalkonsulat Bild: Reuters/F. Bimmer

Zu dem Auftritt Causoglu kamen nach Medienberichten etwa 400 Anhänger der türkischen Regierung zur Residenz des Generalkonsuls. Parallel dazu demonstrierten etwa 250 Gegner in Sicht- und Hörweite hinter Polizeiabsperrungen gegen die Politik Erdogans. Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland sorgen seit Tagen immer wieder für Wirbel.

"Nazi-Methoden"

Schon mehrfach untersagten die örtlich zuständigen Aufsichtsbehörden Veranstaltungen mit Ministern aus Ankara wegen Sicherheitsrisiken. Die türkische Regierung kritisierte dies scharf. Im Vorfeld seines Auftritts in Hamburg hatte der Außenminister den Vergleich der Absagen der Wahlkampfauftritte mit "Nazi-Methoden" wiederholt. Diese Äußerung hatte Erdogan in Deutschland heftige Kritik eingebracht.

So forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den türkischen Präsidenten zu einer Klarstellung seines "fürchterlichen" Nazi-Vergleiches auf. "Es wäre klug, wenn Präsident Erdogan möglichst schnell einen Weg finden würde, das aus der Welt zu schaffen", sagte der CDU-Politiker in Berlin vor ausländischen Journalisten. Alle hätten ein Interesse daran, nicht in einen Wettlauf der Eskalation einzutreten. "Aber wir können nicht akzeptieren, dass in einer solchen Weise über Deutschland geredet wird", betonte Schäuble.

Merkel gegen Auftrittsverbote

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief angesichts des Streits zu Souveränität im Umgang mit der Türkei auf. Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land aushalten, sagte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte, wird Merkel zitiert.

Regierungssprecher Seibert zur deutsch-türkischen Beziehung

Innenminister Thomas de Maizière sagte in der Sitzung den Angaben zufolge, dass Erdogan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden Türken zu erhöhen.

"Welt"-Appell an Erdogan

Der Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", Ulf Poschardt, wandte sich mit einem offenen Brief an Erdogan und bat um Freilassung seines Korrespondenten Deniz Yücel. Dies wäre ein "Signal", so Poschhardt. Yücel werden in der Türkei Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen, er sitzt in Untersuchungshaft. Erdogan hatte den Journalisten am vergangenen Freitag als einen "deutschen Agenten" und einen Vertreter der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bezeichnet.

wl/uh (dpa, afp)