1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Benzin-Polizei"

Bernd Gräßler2. Mai 2012

Die Bundesregierung will mit Hilfe einer neuen Behörde die Preispolitik der Ölkonzerne durchleuchten. Die Branche spricht empört von einer "Benzin-Polizei", viele Experten bezweifeln, dass Tanken günstiger wird.

https://p.dw.com/p/14nxP
Die Preistafel an einer Filiale der Tankstellenkette Shell zeigt in Trier die Preise fuer Diesel , Super E10, Super, V-Power Racing und V-Power Diesel an. Foto: Harald Tittel/dapd
Bild: Harald Tittel/dapd

Der jüngste Druck auf die deutschen Politiker, irgendetwas gegen den historischen Höhenflug der Benzin- und Dieselpreise zu tun, hat ein Ergebnis gezeitigt: Es heißt "Markttransparenz-Stelle" und ist eine beim Bundeskartellamt in Bonn angesiedelte Behörde, deren Errichtung das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Sie soll Preistreiberei aufdecken. Die etwa 14 700 Tankstellen in Deutschland müssen ihr künftig Daten liefern, wann und in welchem Umfang sie die Preise an ihren Tankstellen verändern und zu welchem Preis sie bei ihren Lieferanten einkaufen.

Die Mineralölbranche spricht von einem "bürokratischen Monster", die Regierung dagegen beteuert, sie wolle den Aufwand durch Einrichtung einer Internetplattform möglichst gering halten.

Ob die neue Behörde etwas bewirken kann, darüber gehen die Meinungen selbst bei den Autofahrerverbänden auseinander. Während der ADAC die stärkere Kontrolle begrüßte, sprachen andere Verbände von "Augenwischerei".

Nicht nur Tankstellen unter der Lupe

Viele Experten sehen die eigentlichen Ursachen für den ständigen Anstieg der Treibstoffpreise nicht nur in objektiven Ursachen wie der Iran-Krise und dem Öl-Durst Asiens. Schuld seien auch Spekulationen an den Rohstoffbörsen und schwer nachvollziehbaren Preismanipulationen in den Produktionsketten der Öl-Multis, beginnend in den Raffinerien. Jüngst hatte der Energie-Experte Steffen Bukold im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen den Preisanstieg für Superbenzin von November 2011 bis März 2012 analysiert. Bei einer Erhöhung um 11,3 Cent pro Liter ließen sich nur 6,6 Cent durch höhere Rohölpreise oder einen veränderten Euro/Dollar-Kurs rechtfertigen, heißt es in seiner Studie. Die Ölkonzerne hätten demzufolge in diesem Zeitraum in Deutschland pro Monat 167 Millionen Euro zuviel abkassiert, was sie natürlich abstreiten.

Die Bundesregierung will mit ihrer neuen "Transparenz-Stelle" nicht nur die Preisbildung an den Tankstellen kontrollieren. "Die Datenerhebung soll nicht nur jede Änderung der Endverbraucherpreise an den öffentlichen Tankstellen sondern auch die Abgabepreise der Mineralöllieferanten oder Großhändler umfassen", heißt es in dem Gesetz, das noch vom Bundestag beschlossen werden soll. Damit blicken die Wettbewerbshüter des Kartellamtes möglicherweise etwas tiefer in die Geheimnisse der Preisbildung der Mineralölkonzerne, die im letzten Jahr erneut Rekordgewinne einfuhren und deren Spitzenmanager sich teilweise über regelrechte Gehaltssprünge freuen durften. So verdiente Rex Tillerson, der Präsident des US-Konzerns ExxonMobil – dem auch in Deutschland die Esso-Tankstellen gehören – im Jahr 2011 mit fast 35 Millionen Dollar rund ein Fünftel mehr als im Vorjahr.

"Preisdämpfende Wirkung" erwartet

Das Bundeskartellamt hatte bereits im Mai 2011 festgestellt, dass sich die fünf großen Tankstellenbetreiber Aral, Esso, Jet, Shell und Total gegenseitig "keinen wesentlichen Wettbewerb" lieferten. Beweise für illegale Preisabsprachen fand die Behörde jedoch nicht. Immerhin leitete sie ein Verfahren gegen die fünf Unternehmen ein, weil sie freien Tankstellen Benzin und Diesel aus ihren Raffinerien zu überhöhten Preisen verkauft haben sollen.

--- 2012_05_02_benzin_preise_europa.psd
Infografik Benzinpreise Europa

Im Bemühen, die Treibstoffpreise und damit den Unmut der Autofahrer zu dämpfen, wirken die Politiker in aller Welt recht hilflos. In Österreich und Teilen Australiens gilt die Vorschrift, dass Tankstellen nur noch einmal am Tag ihren Spritpreis erhöhen dürfen. Der Effekt sei ebenso gering wie beispielsweise die mehrmalige Senkung der staatlichen Steuer auf Treibstoff in Israel, wird berichtet. Etwas erfolgreicher bei der Bekämpfung der "Abzockerei" scheint das kleine Luxemburg: Dort gibt es eine staatliche Preisgrenze, die sich an der Entwicklung an den Öl-Börsen orientiert. Im Gesetz der Bundesregierung zur Errichtung der neuen Meldestelle heißt es vorsichtig, Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau ließen sich "nicht quantifizieren", es werde aber eine "preisdämpfende  Wirkung" erwartet.