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Neue Deutsche Welle

Andreas Zimmer11. Juli 2013

Heute eine Selbstverständlichkeit: deutsche Pop-Songs in den Hitparaden. Das war nicht immer so. Erst Anfang der 1980er Jahre etablierte sich mit der Neuen Deutschen Welle die deutsche Sprache im Pop. Ein Rückblick.

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Nena, Gabriele Kerner - die Sängerin mit ihrer NDW-Band in den 80er Jahren bei einem Konzert in der TV Sendung Musikladen.
Nena mit Band 1982Bild: picture-alliance/Jazzarchiv

Ende der 70er, Anfang der 80er veränderte sich die Musiklandschaft in Deutschland nachhaltig. Die Neue Deutsche Welle, kurz NDW, wurde zu einem schnelllebigen Massenphänomen.

Dabei handelte es sich zunächst nur um eine aus dem britischen Punk und New Wave entstandene Untergrundbewegung, die von Düsseldorf, Berlin und Hamburg ausgehend, nach und nach immer mehr Beachtung fand.

Neue Deutsche Welle als Antwort auf britischen New Wave und Punk

In den Anfangstagen der NDW wurde, wie beim Original, zumeist gesellschaftskritisch und politisch getextet - Punk eben. Der Musikjournalist Andre Hilsberg schuf im Oktober 1979 mit einer Artikelserie dafür den Begriff "Neue Deutsche Welle", der das britische Vorbild New Wave noch mit im Namen trug.

Fast allen Veröffentlichungen erschienen damals bei Independent-Plattenfirmen, also nur bei sehr kleinen Labels. Keinesfalls nur aus Überzeugung heraus, wie es heute rückblickend gerne verklärt wird, denn die großen Tonträger-Unternehmen sahen zunächst kein Vermarktungspotenzial in dieser Nische.

Mit Ideal beginnt eine neue Zeitrechnung

Erst mit Beginn der 80er Jahre, namentlich mit der Berliner Band Ideal, veränderte sich die Außenwirkung. Das Bandprojekt um die heute noch aktive Songschreiberin und ProduzentinAnnette Humpe (später aktiv auch in Bands wie DÖF, Humpe & Humpe,Ich & Ich) wurde mit einem Auftritt bei einem Free-Open-Air-Konzert vor dem (West-)Berliner Reichstag bekannt, das Ende August 1980 von gut 150.000 Menschen besucht wurde. In der Folge erreichte deren gleichnamige Debüt-LP "Ideal" die Top drei der deutschen Albumcharts - als erste Independent-Produktion in Deutschland überhaupt. Die etablierten und großen Plattenunternehmen horchten auf, grasten daraufhin die Untergrund-Szene ab und wurden fündig. Teilweise wurden szenebekannte und dort etablierte Bands (z.B. Fehlfarben, DAF, Nichts) unter Vertrag genommen, teilweise entstanden – oftmals nur durch Betreiben der Labels - ganz neue Projekte. Die Musikvermarktung des Phänomens setzte ein.

"Neue Deutsche Welle" Band IDEAL. Frank Jürgen (Eff Jott) KRÜGER (KRUEGER), Hans J. BEHREND, Annette HUMPE und Ernst Ulli DEUKER, bei einem Auftritt in der Fernsehsendung "Rock-Pop in Berlin" 1981. ,
"Neue Deutsche Welle"-Band IdealBild: picture alliance/Keystone

Der totalen Musikvermarktung folgt die Marktüberhitzung

Während sich Ideal mit ihrem Erstlingswerk im besten Sinne noch an Punkstrukturen orientieren, änderte sich im Lauf der Zeit und unter dem Veröffentlichungsdruck der Industrie die ganze Musikrichtung: Die Texte wurden seichter und banaler, nachhörbar beispielsweise in  Frl. Menke  "Mit dem Tretboot in Seenot", IXI  "Knutschfleck" , UKW  "Sommersprossen", Trio  "Da da da"und andere. Die Musik wurde populärer und gleichzeitig pop-kompatibler. Unzählige Bands, Projekte und Solo-Künstler schossen aus dem Boden. Nicht immer mit nennenswertem musikalischen Hintergrund. Erste Anzeichen einer Marktüberhitzung machten sich bemerkbar.

NDW goes USA

Hervorzuheben sind aber sicher Nena ("99 Luftballons") und Falco ("Rock me Amadeus"), denen sogar der Sprung in die USA gelang, wo sie mit den deutschsprachigen Versionen ihrer Titel Platz zwei, respektive Platz eins erreichten. Zweifellos der Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle.

Der Wiener Sänger Falco 80 er Jahre
Sänger Falco in den 80er JahrenBild: picture-alliance/jazzarchiv

Doch Deutsch-Pop, -Disco, -Liedermacher, -Elektro genügten schon bald nicht mehr und so mussten die großen Musikvermarkter auch in anderen Nischen wildern: kurzerhand wurde so auch noch die deutschsprachige Rockmusik einesMarius Müller-Westernhagen, eines Herbert Grönemeyer oder eines Udo Lindenberg unter den Begriff "Neue Deutsche Welle" gepresst. Kommerziell durchaus erfolgreich. Aber vermutlich der letzte Tropfen, der das Sammelbecken NDW zum Bersten brachte.

Aus und vorbei

1983 war der Spuk dann vorbei. Zu groß war die stilistische Vielfalt der zeitgeistigen Musikrichtung, zu heiß gelaufen und entsprechend lahm der kreative Output. Innerhalb kurzer Zeit implodierte das Massenphänomen NDW. Und obwohl deren Blütezeit gerade mal drei kurze Jahre andauerte, änderte die Neue Deutsche Welle die Sichtweise auf deutsch gesungene Popmusik nachhaltig und ermöglichte letztendlich auch den andauernden großen Erfolg deutschsprachiger Popmusik seit ungefähr Mitte der 1990er Jahre.

Nena (05/1985)
Sängerin Nena 1985Bild: picture-alliance/dpa