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Weitere Kooperation mit Lateinamerika angestrebt

8. Februar 2011

Die Bundesregierung hat damit begonnen, der von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im August 2010 vorgestellten Lateinamerika-Strategie Leben einzuhauchen.

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Das brasilianische Kernkraftwerl Angra - Deutsche Unternehmen setzen auf Investitionschancen im Energiesektor in Lateinamerika (Foto: AP)
Deutsche Unternehmen setzen auf Investitionschancen im Energiesektor in LateinamerikaBild: picture-alliance/dpa

Allein seit Jahresbeginn belegen dies zwei Initiativen: Am 25. Januar wurde bestätigt, dass die neue EU-Lateinamerika-Stiftung ihren Sitz in Hamburg haben wird. Bundesaußenminister Westerwelle hatte sich dafür bei der EU stark gemacht und so Paris und Mailand aus dem Rennen geworfen. "Hamburg als weltoffene Hansestadt mit einer Tradition enger Kontakte nach Lateinamerika ist eine optimale Heimat für die neue Stiftung. Ich freue mich, dass wir unsere Partner in der EU und Lateinamerika von dieser starken Kandidatur überzeugen konnten", so der Minister nach Bekanntwerden der Entscheidung. Mit der Errichtung der EU-Lateinamerika-Stiftung setzte die EU "ein sichtbares Zeichen für die Bedeutung der europäisch-lateinamerikanischen Partnerschaft und verleiht ihr eine neue Qualität".

Die EU-Lateinamerika-Stiftung soll durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik maßgeblich dazu beitragen, den Beziehungen zwischen den beiden Regionen eine neue Dynamik zu verleihen.

Neue wirtschaftliche Zusammenarbeit

Außenminister Guido Westerwelle (li.) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (Foto: AP)
Interesse an Lateinamerika: Außenminister Guido Westerwelle (li.) und Entwicklungsminister Dirk NiebelBild: AP

Zu Jahresbeginn war bereits die Kooperation des Lateinamerika Vereins der deutschen Wirtschaft (LAV) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Rahmen der Initiative zur Förderung von Entwicklungspartnerschaften zwischen Wirtschaft und Entwicklungspolitik in Lateinamerika besiegelt worden. Das Programm develoPPP – wobei PPP für "public private partnership" steht, also die Kooperation zwischen privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand – hat zum Ziel, deutsche und europäische Unternehmen gezielt auf die Chancen, die lateinamerikanische Märkte bieten, aufmerksam zu machen.

Finanziert wird develoPPP durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) mit dem Ziel, Kapital, Technologie und Know-how zu aktivieren, um die Lebensbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbessern. Der Arbeitsansatz unterscheide sich von der klassischen Entwicklungshilfe, die "rein karitative Ansätze verfolgt ohne jedwede unternehmerische Komponente", heißt es dazu in einer Stellungnahme des BMZ.

Chancen für kleine und mittlere Unternehmen

Im Interview mit DW-WORLD.de äußert sich der Geschäftsführer des LAV, Christoph Schmitt, zu dem neuen Kooperationsprogramm der Bundesregierung. Der LAV mit Sitz in Hamburg vertritt seit 1916 die Interessen von deutschen Unternehmen, die in Lateinamerika investieren wollen.

DW-WORLD.de: Was erwarten die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und die Unternehmen, deren Interessen Sie vertreten, von develoPPP?

Christoph Schmitt: Um die Entwicklungspolitik der Bundesregierung an die Wirtschaft heranzuführen hat Entwicklungsminister Dirk Niebel die GIZ damit beauftragt, einen Partner zu finden, der Zugang zu kleinen und mittelständischen Unternehmen hat. Und hier kommt der LAV ins Spiel: wir vertreten alle Branchen der Industrie und des Handels in Deutschland. Unter unseren 400 Mitgliedern finden sich viele kleine und mittlere Unternehmen, von Beraterfirmen bis hin zu Banken.

Die Aufgabe des LAV ist es nun, für das Programm develoPPP zu werben und über die Chancen zu informieren, die das Projekt deutschen Firmen bietet, die auf dem lateinamerikanischen Markt tätig werden wollen, zum Beispiel im Bereich neuer Technologien zur Optimierung landwirtschaftlicher Produktionsprozesse und zur Energieersparnis. Die Agrarindustrie und die effiziente Nutzung von Energie sind die Bereiche, auf die wir uns konzentrieren werden. Unser Ziel ist es, der Wirtschaft und den Institutionen in Lateinamerika zu helfen, und mittelfristig die technische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Ländern der Region auszubauen.

Ein deutsches Unternehmen, das Agrarprodukte importiert, kann zum Beispiel dazu beitragen, dass der Bauer oder Kleinunternehmer in Lateinamerika hochwertigere Produkte entwickeln kann oder bessere Ernteverfahren entwickelt. Dabei geht es uns immer um die technische Entwicklung und die Aus- und Fortbildung, nicht um den Verkauf oder Import von Produkten.

Logo des Lateinamerika-Vereins (Quelle: LAV)
Der Lateinamerika-Verein vertritt die Interessen der deutschen Wirtschaft an und in Lateinamerika

Lassen Sie es mich an einem weiteren Beispiel erklären: Ein deutsches Unternehmen kann einen wichtigen Beitrag zum sparsamen Umgang mit Energie durch effiziente Gebäudedämmung leisten: Wenn ein Gebäude gut gedämmt ist, dann reduziert sich der Energieverbrauch von Klimaanlagen, die in tropischen Regionen sehr häufig sind und viel Energie verbrauchen.

Es geht also nicht darum, deutsche Türen und Fenster zu verkaufen, mit dem Argument, dass sie besser sind. Wir wollen Architekten, Bauingenieure und Bauarbeiter in Lateinamerika sensibilisieren für die wirtschaftliche Bedeutung von energieeffizientem Bauen.

Welche Bereiche der Wirtschaft in Lateinamerika bieten die besten Chancen für deutsche Unternehmer?

Lateinamerika bietet deutschen Investoren einen Markt mit einer wachsenden Mittelschicht, deren Kaufkraft stetig zunimmt. Das ist die Grundlage des Wachstums in vielen Ländern. Die Verbesserung des Lebensstandards hat dazu geführt, dass die Mittelschicht konsumfreudiger geworden ist. Brasilien ist dafür ein gutes Beispiel. Und wenn der Konsum anzieht, dann wächst auch die Nachfrage nach Produkten. Deutsche Unternehmer müssen also Partnerschaften mit lateinamerikanischen Unternehmen eingehen, um diese wachsende Nachfrage zu bedienen.

In Brasilien werden zurzeit interessante Strukturreformen durchgeführt, um den rechtlichen Rahmen für die Öl- und Gasförderung vor der Küste zu schaffen. Diese Reformen eröffnen große Chancen für deutsche Unternehmen, die Anlagen für Offshore-Ölförderanlagen herstellen. Die deutschen Anbieter müssen sich also Partner auf dem brasilianischen Markt suchen, um der wachsenden Nachfrage begegnen zu können.

Pestiziddüngung auf einem Sojafeld - Die Verbesserung von landwirtschaftlichen Produktionemethoden ist eines der Ziele von develoPPP (Foto: AP)
Die Verbesserung von landwirtschaftlichen Produktionsmethoden ist eines der Ziele von develoPPPBild: DW/Holz

Sind sich die deutschen Unternehmer der negativen Wahrnehmung bewusst, die in bestimmt Kreisen seit einigen Jahren im Bezug auf die klassische „Entwicklungshilfe“ herrscht?

Dieses Projekt hat zum Ziel, diese negative Wahrnehmung zu verändern. Im Mittelpunkt von develoPPP steht die Zusammenarbeit mit den Ländern Lateinamerikas, mit dem Ziel, diese Länder dank der Kooperation auf Augenhöhe in ihrer Entwicklung zu stärken und sie unabhängiger zu machen. Wir wollen keine Entwicklungshilfe leisten. Wir streben Kooperationen an. Es soll auf beiden Seiten ein Bewusstsein entwickelt werden für Themen, die sowohl für deutsche Unternehmer als auch für die Länder Lateinamerikas zukunftsrelevant sind.

Entwicklungshilfe im Sinne von "geben" wird schon seit Jahren nicht mehr praktiziert. Heute versucht man vielmehr, dass die Personen, die von der internationalen Zusammenarbeit profitieren autonom und selbständig sind. Wir wollen den Menschen keinen Mais verkaufen um sie vor einer Hungersnot zu bewahren. Wir wollen den Bauern beibringen, qualitativ hochwertigen Mais anzupflanzen, der auch in Trockenzeiten überlebt und der nicht so anfällig ist für die Auswirkungen des Klimawandels. Das verstehen wir heute unter Entwicklungszusammenarbeit.

Dieses Projekt berücksichtigt auch die soziale Entwicklung der Länder. Wenn ich einen besseren Kakao produziere, weil man mir gezeigt hat, wie ich ihn anpflanzen und behandeln muss, dann bedeutet dass, dass ich ihn später zu einem höheren Preis verkaufen kann, dass ich Zugang zu internationalen Märkten haben werde, dass ich als Bauer oder Landwirt ein höheres Einkommen erzielen werde.

Autor: Evan Romero-Castillo
Redaktion: Emilia Rojas/ Mirjam Gehrke