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52 Millionen Euro mehr für den Hindukusch

25. November 2009

Deutschland erhöht seine Mittel für den zivilen Aufbau Afghanistans um 52 Millionen Euro. Dafür fordert die Bundesrepublik aber auch eine Gegenleistung.

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Entwicklungshilfeminister Dirk NiebelBild: AP

Ob es ein Zufall war oder Absicht, sei dahingestellt. Fest steht, dass die im entwicklungspolitischen Verband VENRO zusammengeschlossenen Hilfsorganisationen und der neue deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten in Berlin Pressekonferenzen veranstalteten. Der stellvertretende VENRO-Vorsitzende Jürgen Lieser hatte eine klare Forderung im Gepäck. Er setzt auf mehr zivilen Wiederaufbau - nicht auf Aufstockung des militärischen Personals. "Es geht unter anderem darum, die landwirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen." Außerdem möchte Lieser die Förderschwerpunkte von den Städten in die ländlichen Gebiete verlagern.

Wiederaufbau Afghanistan Landwirtschaft
Die Förderung der Landwirtschaft ist ein wichtiger Teil des WiederaufbausBild: DW

Geld ja - aber nur unter Auflagen

Die Forderung ist nicht neu und war natürlich auch Entwicklungsminister Niebel schon lange bekannt. Und als hätte er den Ruf der Hilfsorganisationen unmittelbar erhört, kündigte er im gleichen Moment eine Aufstockung der finanziellen Entwicklungshilfe für Afghanistan um 52 auf 144 Millionen in diesem Jahr an. Damit sollten konkrete Projekte gefördert werden. Schwerpunkte des Engagements sollen die Strom- und Trinkwasserversorgung der Menschen in Kabul und im Norden, die wirtschaftliche Erholung durch Schaffung von Einkommen und Beschäftigung unter anderem durch die Vergabe von Mikro-Krediten sein, so der Minister. Niebel verknüpfte die Erhöhung der Entwicklungshilfe an Afghanistan allerdings mit einer deutlichen Aufforderung an die Regierung um Präsident Hamid Karsai, mehr als bisher für eine Verbesserung der Lage im Land zu leisten. "Mit dieser Zusage gehen wir deutlich in Vorleistung und erwarten, dass die neue afghanische Regierung das ihre dazu beiträgt." Konkret bedeutet das: Die afghanischen Sicherheitskräfte sollen verstärkt und die Korruption im Land konsequenter bekämpft werden. Und - so Niebel weiter - durch eine bessere Regierungsführung könne der Stabilisierungs- und Entwicklungsprozess in Afghanistan erfolgreich abgeschlossen werden.

Vorwürfe an die Adresse des Westens

Symbolbild Hamid Karzai Karsai
Angekratztes Image: Präsident Karzai wird mangelnde Korruptionsbekämpfung vorgeworfenBild: AP

In diesem Zusammenhang dürfte Entwicklungsminister Niebel die Meldung aus Kabul wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, dass die afghanische Staatsanwaltschaft gegen 15 amtierende und ehemalige Minister wegen Korruptions-Vorwürfen ermittele. Eine Nachricht, durch die sich auch der stellvertretende VENRO-Vorsitzende Lieser in seiner Auffassung bestätigt fühlen wird. "Wir glauben, dass die alten korrupten Macht-Eliten, Drogenhändler und die Führer bewaffneter Milizen nach wie vor in höchsten Regierungsämtern sitzen. Und das ist sicherlich einer der zentralen Fehler, die man dem Westen in seiner Strategie vorhalten muss." Die neue Bundesregierung müsse dem zivilen Einsatz Vorrang einräumen, forderte Lieser im Namen der nichtstaatlichen Hilfsorganisationen. Denn die hohen zivilen Opferzahlen würden lediglich den Zorn gegen die "Besatzer" schüren. "Und junge unzufriedene Afghanen schließen sich bewaffneten Widerstandsgruppen an."

Afghanistan Deutschland Bundewehrsoldaten in Kundus
Fallschirmjäger der Bundeswehr im Rahmen des ISAF-EinsatzesBild: AP

Unterschiedliche Standpunkte

Durch die unklare Grenzziehung zwischen dem humanitären Mandat von Hilfsorganisationen und dem politischen Mandat von Streitkräften werde die Unabhängigkeit von Hilfsorganisationen infrage gestellt und ihre Sicherheit gefährdet, bemängelt Lieser. Er kenne diese Kritik, sagte Entwicklungsminister Niebel, teile sie aber nicht. Zur Stabilisierung in Krisengebieten sei es richtig, sowohl mit Truppen präsent zu sein als auch mit zivilen Kräften. Und deren jeweilige Tätigkeiten müssten dann so koordiniert werden, "dass man ein höchstmögliches Maß an Erfolg hat." In der Sprache der Politik heißt diese Strategie "vernetzte Sicherheit". Ein Prinzip, das unter der Koalition aus Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) galt und an dem das nun regierende Bündnis aus Konservativen und Freidemokraten (FDP) festhalten will. Noch in dieser Woche wird sich das Parlament mit der Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan befassen, den die Regierung bereits am 16. November für sich beschlossen hat.


Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Esther Broders / Nicola Reyk