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Neue Quellen für Nordkoreas Atomarsenal

Gabriel Dominguez15. August 2013

Nordkorea gibt weiter Rätsel auf. Parallel zu Entspannungssignalen gegenüber dem Süden verfolgt Pjöngjang sein Atomprogramm - seit neuestem auch mittels Urananreicherung, wie Experten befürchten.

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Atomanlage Yongbyon im Jahr 2008 (Foto: Kyodo)
Bild: Getty Images

Zentrum des nordkoreanischen Atomprogramms ist die Nuklearanlage von Yongbyon rund 90 Kilometer nördlich der Hauptstadt Pjöngjang (im Bild oben von 2008 zu sehen). Dort waren nach Angaben Pjöngjangs im Jahr 2010 - neben Reaktoren und anderen Anlagen - auch 2.000 Zentrifugen in Betrieb. Offiziell dienen sie einem zivilen Zweck: Der Produktion schwach angereicherten Urans (LEU) als Brennstoff für einen im Bau befindlichen Leichtwasserreaktor.

Tatsächlich aber scheint Nordkorea damit seine Kapazität zur Herstellung von waffenfähigem Spaltmaterial auszubauen. Zu diesem Schluss kommt das Institute for Science and International Security (ISIS) nach der Auswertung von Satellitenbildern: Das Gebäude, das die Anlage zur Urananreicherung enthält, ist inzwischen doppelt so groß wie ursprünglich.

In einem Bericht (vom 07.08.2013) schreibt das ISIS, dass diese bauliche Erweiterung eine Verdoppelung der Anzahl der Zentrifugen ermögliche. Mit Hilfe dieser rotierenden Metallzylinder wird das gasförmige Uran angereichert. Das heißt, der spaltbare Anteil des Urans wird erhöht, das sich damit für zivile, aber auch - bei höherem Grad der Anreicherung - für militärische Zecke verwenden lässt.

Produktionsumstellung auf waffenfähiges Uran kein Problem

Ob es sich um niedrig oder hoch angereichertes (HEU) Uran handelt - in punkto Technologie und Material unterscheiden sich beide Prozesse kaum voneinander, betont Phillip Schell vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. "Im Prinzip muss nur die Konfiguration der Kaskaden modifiziert werden" (d.h. die Anordnung der Zentrifugenreihen), so Schell gegenüber der Deutschen Welle.

Satellitenaufnahme des Atomkomplexes Yongbyon (Foto: CNES 2013 – Distribution Astrium Services/Spot Image)
Satellitenaufnahme des Atomkomplexes YongbyonBild: CNES 2013 – Distribution Astrium Services/Spot Image

Laut Informationen des ISIS ergibt sich aus den Satellitenaufnahmen der Firmen Digital Globe und Astrium Geoinformation, dass mit den baulichen Veränderungen im März dieses Jahres begonnen wurde. Theoretisch könnte Nordkorea damit 2.000 weitere Zentrifugen installieren. Mit den insgesamt 4.000 Zentrifugen könnte das Regime von Kim Jong Un genügend waffenfähiges Uran für zwei Sprengköpfe pro Jahr herstellen, schätzt ISIS. Ausrüstung und Material für dieses Projekt könnte sich Nordkorea bereits beschafft haben. Bereits 2012 wurde in einem Expertenbericht der UN auf die Möglichkeit verwiesen, dass Nordkorea auch außerhalb von Yongbyon geheime Anlagen zur Urananreicherung betreibt.

Bluff Nordkoreas?

Wie immer ist bei Einschätzungen nordkoreanischer Politik viel Rätselraten im Spiel. So auch bei der Frage, ob Nordkorea tatsächlich in großem Stil auf hochangereichertes Uran für sein Atombombenprogramm setzt. Gregory D. Koblentz vom amerikanischen Forschungsinstitut Council on Foreign Relations verweist auf die Praxis Nordkoreas, seine militärische Schlagkraft stärker erscheinen zu lassen als sie ist. Beispielsweise mit der Zurschaustellung von angeblichen Langstreckenraketen, die noch niemals einen Testflug absolviert hätten. Ähnlich könnte es mit der Urananreicherung sein: "Der Bau eines neuen Fundaments und Dachs ist eine sehr kostengünstige Methode, anderen Ländern eine fortgeschrittene und umfangreiche Zentrifugenanlage vorzugaukeln", erläutert Koblentz gegenüber der Deutschen Welle.

Nordkorea Militärparade mit Rakete (Foto: Kyodo)
Nordkorea kündigte im April 2013 umfassende nukleare Aufrüstung an ARCHIVBILD 2010Bild: picture-alliance/dpa

Im Februar 2013 hatte Nordkorea mit seinem bislang jüngsten Atombombentest militärische Stärke demonstriert, sogar ohne Rücksicht auf seinen Verbündeten China, der sich im UN-Sicherheitsrat prompt gegen Nordkorea stellte. Es folgten gegen die USA gerichtete Drohungen mit atomaren Schlägen, im April kündigte Pjöngjang den "Neustart und die Neuausrichtung aller nuklearen Einrichtungen" in Yongbyon an, einschließlich solcher, die 2007 im Rahmen internationaler Vereinbarungen abgeschaltet worden waren. Ziel sei, "das Atomwaffenprogramm Nordkoreas quantitativ und qualitativ zu verstärken", präzisierte der Sprecher.

Umstellung von Plutonium auf Uran

Experten gehen davon aus, dass Nordkorea für seine beiden Atombombentests 2006 und 2009 Plutonium aus seinen - begrenzten - Vorräten benutzt hat. Spekuliert wird nun darüber, ob bei dem Test von 2013 HEU zum Einsatz kam. Damit hätte Nordkorea sich eine neue Möglichkeit zum Ausbau seines Atomwaffenarsenals verschafft, so Phillip Schell vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Andererseits wäre der Einsatz von HEU technologisch schwieriger: "Man benötigt mehr HEU als Plutonium pro Sprengkopf. Umso schwieriger ist die Konstruktion eines mit HEU bestückten Sprengkopfes, der klein genug sein muss, um von einer ballistischen Rakete befördert werden zu können", erläutert Schell gegenüber der Deutschen Welle.

Zenrifugen in iranischer Atomanlage Natans (Foto: (Foto: dpa)
Der Iran beherrscht die Zentrifugentechnologie (wie hier in der Anlage von Natans) - Nordkorea arbeitet daranBild: picture-alliance/dpa

Was auch immer unter dem Dach der vergrößerten Anlage in Yongbyon genau passiert: Der Westen muss sich darauf einstellen, dass Nordkorea die Anreicherung von Uran zunehmend besser beherrscht. "Zentrifugen sind sehr empfindliche Maschinen, für deren wirkliche Beherrschung Länder erst mehrere Jahre Erfahrung sammeln müssen. Aber wenn das einmal erreicht ist, liegt es auf der Hand, dass diese Länder die Produktionskapazitäten ihrer Zentrifugenanlagen erweitern", sagt Gregory D. Koblentz vom Council on Foreign Relations. Genau das ist seit Jahren im Atomstreit mit dem Iran zu beobachten, der auf die Urananreicherung keinesfalls verzichten will.