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Noch kein Handelskrieg

13. März 2012

Seltene Erden sind für die Hightech-Industrie unverzichtbar - und hart umkämpft. China hat die Ausfuhr der Metalle stark reglementiert. Dagegen gehen die USA, die EU und Japan jetzt vor.

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Tagebau für Seltene Erden in China (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Noch ist es kein Handelskrieg, aber der Streit mit Peking eskaliert. Gemeinsam mit den USA und Japan will die EU-Kommission die chinesischen Exportbeschränkungen für Seltene Erden nun juristisch zu Fall bringen. Am Dienstag (13.03.2012) wurde die Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht.

Die Welthandelsexperten in Genf müssen sich in den kommenden Wochen mit Rohstoffen beschäftigten, deren Namen in der Bevölkerung überwiegend unbekannt sind, die aber für moderne Industrieunternehmen unverzichtbar sind: Ohne Promethium, Lanthan oder Scandium können heute keine Handys, Windräder oder Rüstungsgüter produziert werden. Entsprechend kritisch schauen die Hightech-Produzenten daher auf den Weltmarkt für Seltene Erden, den China mit mehr als 95 Prozent der erschlossenen Vorkommen fast vollständig dominiert. Seit 2009 hat das Land strenge Exportquoten für die Metalle festgesetzt und damit Kritiker bestärkt, die schon lange vermuten, dass Peking die wertvollen Rohstoffe vor allem für die eigene Industrie zurückbehalten möchte.

China als Monopol-Anbieter

Weil der Streit in den vergangenen Monaten nicht von den beteiligten Politikern gelöst werden konnte, muss nun die WTO schlichten. Für die Handelsexperten ist der Fall durchaus ungewöhnlich, da sie in der Regel aktiv werden, wenn sich ein Staat mit Importzöllen vor unliebsamer Konkurrenz schützen will. "Wir haben es hier mit dem Sonderfall einer Ausfuhrbeschränkung zu tun. Es geht um die Frage, ob diese Beschränkungen diskriminierend gegenüber Drittstaaten sind - wofür einiges spricht - und ob es für China Rechtfertigungsgründe gibt", erklärt Völkerrechtsprofessor Stefan Oeter von der Universität Hamburg.

Foto von Seltenen Erden: Praseodymium, Cerium, Lanthanum, Neodymium, Samarium und Gadolinium.
Seltene Erden: Praseodymium, Cerium, Lanthanum, Neodymium, Samarium und Gadolinium.Bild: USDA, ARS, IS Photo Unit

Eine Benachteiligung ausländischer Unternehmen weist die chinesische Seite weit von sich. Die Beschränkungen dienten dem Umweltschutz und der langfristigen Sicherung der Vorkommen, heißt es in Peking. Vor allem das Argument, die Umwelt zu schützen, halten die WTO-Kläger aber für vorgeschoben. Sie verdächtigen Peking der Preistreiberei und vermuten, dass die Beschränkungen westliche Firmen dazu bringen sollen, ihre Fabriken nach China zu verlagern.

Ein halbes Jahr Zeit für ein Urteil

In den kommenden 60 Tagen wird jetzt unter WTO-Regie versucht, den Streit einvernehmlich zu lösen - erst dann kommt der Fall vor das mit drei unabhängigen Experten besetzte Schiedsgericht. Eine Einigung in der Konsultationsphase erscheint aber aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. In einer ersten Reaktion bezeichnete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua die Klage als "übereilt und ungerecht". Sie könne die Handelsbeziehungen empfindlich schädigen und "nach hinten losgehen".

Foto vom WTO-Sitz in Genf (Foto: AP)
WTO Sitz Schweiz GenfBild: AP

Ein halbes Jahr haben die Richter nach der Konsultationsphase Zeit für das Urteil in der ersten Instanz. "Der Umweltschutz ist ein legitimer Grund für Förderquoten, und nachhaltige Nutzung von Ressourcen ebenso. Die Experten werden also im Kern prüfen müssen, ob China diese Beschränkungen so umgesetzt hat, dass ausländische Unternehmen nicht benachteiligt werden", erklärt WTO-Experte Stefan Oeter.

Ein Kampf mit harten Bandagen

Sollte ein mögliches Berufungsverfahren eine Verurteilung bestätigen, müsste China die Exportbeschränkungen aufheben. Geschieht dies nicht, würde die WTO den Klägern erlauben, eigene Handelsschranken gegen China zu errichten: "Da werden die Handelsvorteile, die man verloren hat, berechnet und die Staaten temporär zu bestimmten Sanktionen berechtigt." Allerdings, so Oeter, erreiche ein Handelskonflikt relativ selten diesen Punkt. Mit den Sanktionen schädige sich der Kläger ja auch partiell selbst. Meist werde vorher doch noch eine Einigung erzielt.

Chinesische Arbeiterin hantiert mit Seltenen Erden (Foto: dpa)
Seltene Erden finden in China, aber auch im Ausland in der Hightech-Industrie VerwendungBild: picture alliance / landov

Dass die seit zehn Jahren zur WTO gehörenden Chinesen hier eine besondere Rolle spielen, glaubt der Rechtswissenschaftler nicht. "Es ist das Spiel mit harten Bandagen, das sich China auch von den USA und der EU abgesehen hat. Auch die USA und die EU neigen nicht immer dazu, fair zu spielen, sondern ihre Interessen ziemlich handfest durchzusetzen."

Entspannung auf dem Rohstoffmarkt durch andere Anbieter

Zuletzt hatte China vor der WTO eine herbe Niederlage einstecken müssen. Anfang des Jahres hatten die Experten in Genf entschieden, dass China seine Handelsschranken für Phosphor, Zink, Bauxit und sechs weitere Rohstoffe aufheben muss. Das Urteil hat zwar keinen direkten Zusammenhang zu den Seltenen Erden, könnte aber als Signal dienen. EU-Handelskommissar Karel De Gucht gibt sich denn auch siegesgewiss: "Ungeachtet des Urteils der WTO in unserem ersten Streit um Rohstoffe hat China keine Anstrengungen gemacht, die übrigen Exportbeschränkungen zu beseitigen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am Mittwoch (08.02.12) im Kanzleramt in Berlin bei einer Pressekonferenz im Anschluss an einen Empfang des Praesidenten von Kasachstan, Nursultan Abischewitsch Nasarbajew. (Foto dapd)
Kasachstan soll Deutschland Seltene Erden liefern - im Bild: Präsident Nursultan NasarbajewBild: dapd

Entspannung auf dem Rohstoffmarkt wollen die Kläger aber nicht nur über die WTO erzwingen - sie wollen China auch schlicht umgehen. In Malaysia soll die Förderung der begehrten Metalle in den kommenden Jahren stark ausgeweitet werden, und in Kasachstan erhält Deutschland Zugriff auf die begehrten Rohstoffe, nachdem die Bundesregierung mit der kasachischen Führung unlängst ein entsprechendes Abkommen vereinbart hat.

Autor: Andreas Noll
Redaktion: Johanna Schmeller