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Neue Stimmen in Pakistan

14. Oktober 2002

Aus den pakistanischen Parlamentswahlen ist überraschend ein anti-amerikanisches Parteienbündnis aus sechs islamistischen Parteien als neue starke Kraft hervorgegangen. Internationale Beobachter kritisieren die Wahl.

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Das Symbol der Islamisten-Allianz MMABild: AP

Nach dem Erfolg islamischer Parteien bei der Parlamentswahl in Pakistan steht die bisherige Regierung vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Die mit Präsident Pervez Musharraf verbündete Partei Qaid-e-Azam lag nach Auszählung fast aller Stimmen am Samstag (12.10.02) zwar mit 77 der 272 Sitze in Führung, verfehlt die Mehrheit jedoch deutlich. Die Parteien haben bis zum 1. November Zeit für Koalitionsverhandlungen. An diesem Tag soll der neue Ministerpräsident vereidigt werden.

Zweitstärkste Kraft hinter Qaid-e-Azam, einer Splittergruppe der Muslimischen Liga, wurde mit 63 Sitzen die Pakistanische Volkspartei der ehemaligen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Die religiöse Allianz Vereinigte Aktionsfront (MMA) aus sechs islamischen Parteien folgte mit 45 Mandaten. Einen Tag nach ihrem Erfolg bei den Parlamentswahlen in Pakistan haben die Islamisten ein Ende der Jagd nach Mitgliedern des Terrornetzwerks El Kaida gefordert. "Die Taliban und El-Kaida-Mitglieder sind unsere Brüder, solange es keine Beweise gegen sie gibt", sagte Munawar Hasan von der MMA.

Stimmungsmacher USA

Die pakistanische Presse zeigte sich besorgt über das Erstarken der islamisch-fundamentalistischen Parteien, wies gleichzeitig aber auf die ideologische Heterogenität der MMA hin. Das demokratische Verfahren der Kompromissfindung werde "seine eigene moderierende Wirkung auf festverwurzelte Verhaltensweisen" haben, schrieb die Zeitung "Dawn". "The Nation" machte für den Erfolg "teilweise den öffentlichen Unmut über die blinde Unterstützung" der USA verantwortlich.

Erste islamistische Provinzregierung

Besonders erfolgreich schnitten die islamischen Parteien bei der gleichzeitig am Donnerstag stattfindenden Wahl der Provinzparlamente ab. Im Bezirk Nordwest nahe der afghanischen Grenze holte das Bündnis nach Angaben der Behörden mit 50 Mandaten die Mehrheit der 99 Sitze. Damit wird es erstmals in der Geschichte Pakistans eine islamistische Provinzregierung geben. Auch in der Grenzprovinz Belutschistan erreichte die Allianz knapp die Mehrheit und wird dort vermutlich eine Koalitionsregierung führen.

Die Aktionsfront feierte am Samstag ihren Sieg und kündigte die strikte Durchsetzung des islamischen Rechts an. "Wir werden eine islamische Revolution nach Pakistan bringen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Allianz, Qazi Hussain Ahmed, vor rund 3.000 Anhängern in Nowshehra bei Peshawar. Langfristiges Ziel sei die Einführung der Scharia in ganz Pakistan.

Mangelnde Wahl-Fairness

Eine Beobachterdelegation der Europäischen Union äußerte scharfe Kritik am Ablauf der Wahlen. Die Regierung habe bereits im Voraus Maßnahmen zur Schwächung des künftigen Parlaments ergriffen, sagte EU-Chefbeobachter John Cuhnahan. Er sprach von einer "unerlaubten Einmischung in den Demokratieprozess". Musharraf hatte unter anderem seine beiden Vorgänger Bhutto und Nawaz Sharif von der Kandidatur ausgeschlossen, die beide im Exil leben. Die Wahlbeobachtergruppe von elf asiatischen Staaten (ANFREL) erhob ähnliche Vorwürfe.

Wahlberechtigt waren rund 72 Millionen Bürger. Es war die erste Parlamentswahl seit dem Putsch von Musharraf im Oktober 1999. (kas)