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Neue Töne aus Ramallah

Peter Philipp10. September 2002

Arafat scheint langsam einzusehen, dass er von Frieden mehr profitiert als von Gewalt. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Palästinenser-Präsident Yasser Arafat hat am Montag (9.9.) vor dem Parlament in Ramallah im Westjordanland einen Frieden mit Israel als weiterhin möglich bezeichnet. In einer Grundsatzrede rief Arafat zu einem Ende der Kämpfe auf und verurteilte zugleich alle Formen von Terrorismus. Ein glaubwürdiger Appell?

Erste israelische Reaktionen auf die Rede von PLO-Chef Yasser vor dem palästinensischen Parlament (PLC) in Ramallah waren zurückhaltend und ablehnend: Der Palästinenser-Präsident sei mit seiner Verurteilung von Selbstmordanschlägen auf israelische Zivilisten wieder einmal nicht weit genug gegangen. Denn er habe ausdrücklich nur Anschläge "innerhalb Israels" verurteilt - also nicht solche innerhalb der besetzten Gebiete. Und er habe nicht Anweisung gegeben, die Angriffe einzustellen. Allein Taten zählten aber, nicht Worte.

Ob man in Jerusalem gut beraten war, so zu reagieren, wird sich noch zeigen müssen. Denn es ist nicht zu überhören gewesen, dass der Ton in Ramallah sich geändert hat: So widersprach Arafat dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, der eben noch behauptet hatte, der Osloer Friedensprozess sei tot. Und er rief Israel zu einer Erneuerung der Friedensverhandlungen auf: "Nach 50 Jahren von Kampf und Blutvergießen ist es genug".

Eigentlich Worte, die Mut machen sollten, dass die zwei Jahre des Palästinenser-Aufstands 'Intifada' ihrem Ende entgegen gehen und zu einer Episode des Nahostkonflikts werden - wenn auch einer schrecklichen. Anzeichen für einen Wandel hat es in jüngster Zeit vermehrt gegeben. Etwa, als ein ehemaliger palästinensischer Minister im offiziellen Organ der Autonomiebehörde Arafat in einem offenen Brief fragte, was die Intifada denn gebracht habe. Es sei ein Fehler gewesen, die Vorschläge von Bill Clinton in Camp David abzulehnen und sich mehr von Gewalt zu erhoffen. Heute wäre man froh, wenn man auf den Stand von Camp David zurückkehren könnte. Man träume von der letzten Chance, die man doch selbst abgelehnt hatte.

Ermutigend war in letzter Zeit auch, dass der neue palästinensische Innenminister Abdel Rasak Yahya sich kompromisslos gegen jede Art von Terrorismus und ganz besonders die Selbstmordanschläge ausgesprochen hatte. Yahya ging dabei weiter als Arafat jetzt in Ramallah - und nicht nur in Israel nährte dies die Hoffnung, dass mit dem neuen Mann der Anfang gemacht werden könne zu einem neuen Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Solche Hoffnung mag berechtigt sein, denn viele Palästinenser sind längst ernüchtert aufgewacht aus dem Irrglauben, man könne politische Kompromisse durch Gewalt ersetzen. Und sie sind sich einig, dass die Zeit für Reformen gekommen ist. Nur: Israels Regierungschef Ariel Scharon sollte sich nicht täuschen, dass er auf diese Weise seinen Erzfeind Yasser Arafat los würde.

Arafat wäre nicht der politische Überlebenskünstler, als der er sich immer wieder erwiesen hat, wenn er nicht auch diese Phase überstehen würde. Ob es dem Palästinenserführer selbst bewusst ist oder nicht: Er ist weiterhin eindeutig Gallionsfigur der palästinensischen Bestrebungen nach einem eigenen Staat. Längst nicht mehr unumstritten und ohne jeden Tadel aus den eigenen Reihen - aber doch auch nicht ein Politiker, den man deswegen beim nächsten Urnengang abwählen würde. Auch eine Symbolfigur wird sich aber Gedanken machen über ihren Platz in der Geschichte. Und, wenn vielleicht auch noch etwas zögerlich: Arafat scheint erkannt zu haben, dass auch er von Frieden mehr profitiert als von Gewalt.