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Musik als Brücke

12. März 2010

Musik spielt in Kamerun neben Sport und Religion eine enorm wichtige Rolle im Alltag. In den Bars und Cabarets dröhnt permanent kamerunischer Pop – der den Anspruch erhebt, sich vom globalen Einheitsbrei abzusetzen.

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Nationale Topstars in Kamerun: MacaseBild: Dirk Bathe

Verspielt huschen die Finger von Ruben Binam über die Tasten seines Keyboards. Afrojazz mischt sich mit südamerikanischem Bossanova, er summt leise in Ewondo, seiner Muttersprache, vor sich hin. "Ja, stimmt,“ sagt der junge Mann, "wir mischen hier bei Macase viele Stile und Einflüsse. Wir nennen es Bantu Groove. Wir sind zwar keine panafrikanische Band, alle kommen aus Kamerun, aber wir verstehen uns als weltoffen. Was ja auch schon der Name unserer Band aussagt."

Macase bedeutet so viel wie "Offenes Haus". Gegründet hat sich die Truppe um Ruben Binam, der auch Kopf und Komponist von Macase ist, im Mai 1996. Jetzt bringt sie ihre dritte CD heraus: "Fly Away". Wobei sich das Wegfliegen auf Spaziergänge der Fantasie bezieht und nicht auf den Wunsch, Kamerun zu verlassen.

Internationaler Durchbruch

Plakat Urban Village
Urban Village: Tanzen gegen das ElendBild: Dirk Bathe

Nach einigen Auftritten vor regionalem Publikum folgte der Durchbruch beim panafrikanischen Festival Masa in der Elfenbeinküste 2001. Noch im gleichen Jahr gewann die Gruppe den Nachwuchspreis des französischen Senders RFI – seitdem ist Macase eine der angesagtesten Bands des Landes. Größter Rivale ist X-Maleya, die eher tanzbare Musik machen "und deren Sänger bei unserer neuen CD ein Gastspiel gibt", lacht Ruben Binam.

Für Macase hat dieses Miteinander einen großen Stellenwert. Die Bandmitglieder geben jungen Nachwuchskünstlern auch mal ihre Instrumente, bieten ihnen ihren Proberaum an. Das hat auch etwas damit zu tun, dass sie über die Musik eine neue Art der afrikanischen Identität finden wollen. Ein Miteinander, kein Gegeneinander, "wie es so oft der Fall ist bei uns in Afrika. Wir singen auf Französisch, Englisch und Ewondo – und egal in welchem Teil des Landes wir auftreten, wir werden verstanden. Wir bauen Brücken über die Musik."

Sich selbst entdecken

Elysee Ayougo
Elysee Ayougo, Traditioneller Musiker in KamerunBild: Dirk Bathe

Das Miteinander steht auch bei Daniel Sty White hoch im Kurs. Auf seinem T-Shirt prangt der Schriftzug "Urban Village" – der Name seines Projektes, einer Schule, die in ihrer Art einzigartig ist in Kamerun. Mit "Urban Village“ hat Daniel Sty White bislang 200 Kindern und Jugendlichen den Weg in die Welt des Tanzes und der Musik eröffnet. Hierhin, zu den Veranstaltungen von "Urban Village" die meist unter freiem Himmel oder in Baracken stattfinden, kommen Kinder, die sonst kaum eine Chance hätten, ihrem Leben zu entfliehen. "Fast alle meine Schüler sind extrem arm", sagt Daniel, "sind obdachlos oder schlagen sich als Prostituierte durchs Leben. Hier entdecken sie neue Seiten an sich, dass sie etwas können, dass sie ein Talent haben."

Tanzen gegen das Elend

Daniel Sty White ist in Lyon zum Choreografen, Tänzer und Musiker ausgebildet worden. Als er vor einigen Jahren nach Kamerun zurückkam, bewegte ihn das Schicksal der vielen Straßenkinder. "Es ist natürlich einfach, zu sagen: OK, dann helfe ich eben. Aber ohne staatliche Unterstützung, nur mit eigenem Geld und Hilfe von Freunden, ist das ganz schön schwierig."

Einige seiner Schüler haben mittlerweile ihre eigene Band gegründet und sich mit diesem Schritt eine neue Identität geschaffen: Vor kurzem erschien das Album "The Rain" von "Musique Affront" – andere Ex-Schüler unterrichten jetzt selbst die jüngeren Schüler, übernehmen damit Verantwortung für sich und andere. Daniel Sty White bleibt aber auf dem Boden: "Solange wir nicht zumindest etwas professionellere Strukturen für Kunst und Kultur in Kamerun aufbauen, ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein."

Vom Hinterhof zur Bühne

Trommler mit Trommeln in Afrika
Klassisches Instrument mit politischer AussageBild: http://www.africa-photo.com

Einige Kilometer weiter am anderen Ende von Jaunde. Der Lärm der nahen Straße hat verloren, er hatte auch nie eine Chance gegen die Kraft der fünf Männer und zwei Frauen, die den staubigen, heißen Flecken am Rande eines Fußballfeldes mit Gesang und Trommeln überziehen. Die Musiker sind aufeinander eingespielt, jeder gesangliche Einsatz, jeder Schlag auf die Fell bespannten Instrumente sitzt. Die Stücke sind lang, rauschartig, gehen ineinander über, um dann wieder zum Ursprungsthema zurückzukehren.

Unter den Musikern ist Elysée Ayogo Onomo. Er schlägt mit runden Hölzern auf Blöcke und Blechtrommeln. Jeder Schlag ist präzise, dabei locker und entspannt. "Wenn ich den Schlag der Trommel höre, spüre, geht mein Herz auf. Dann geht mein ganzes Ich darin auf." Elysée ist Mitglied einer Truppe, die sich regelmäßig in Jaundes Stadtteil Fouda trifft. Alle sind hauptberufliche Musiker, ein hartes Brot, wenn man sich weigert, in Hotels den Clown für Touristen zu geben, sagt Elysée: "Ich toure durch das ganze Land, durch Nachbarländer und sogar bis Europa, um auftreten zu können. Wir leiden unter einer mangelnden Infrastruktur, aber den Staat kümmerts ja auch nicht."

Identität durch Tradition

Auch wenn Elysées Musik traditionell und weitgehend wortlos ist, er versteht sie auch als politische Aussage: "Unsere Musik ist panafrikanisch, hilft, eine afrikanische Identität durch Traditionen zu bilden. Denn die haben wir noch nicht, eine echte afrikanische Identität – dafür müssen wir erst mal unsere Wurzeln kennen lernen."

Autor: Dirk Bathe

Redaktion: Carolin Hebig