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Multikulti statt Rassentrennung

11. Mai 2009

Die Jahrzehnte der Rassentrennung in Südafrika haben auch die Struktur der Städte geprägt. Der Johannesburger Stadtteil Fitas hingegen hat der Apartheid getrotzt und sein multikulturelles Lebensgefühl erhalten.

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Moschee (Foto: Thorsten Deckler)
Moschee im Johannesburger Stadtteil FitasBild: Thorsten Deckler

Vergnügt schlendern zwei Jungs über die schmalen Straßen von Fitas. Während sie auf einfachen Rohren vor sich hin pfeifen, kicken sie einander eine leere Plastikflasche zu. Die Stimmung in dem Johannesburger Arbeiterviertel ist entspannt - viele schätzen die multikulturelle Mischung, von der auch nach den Jahrzehnten der Rassentrennung noch immer ein wenig zu spüren ist. Der indisch-stämmige Fasel Mamdoo erinnert sich gerne an seine Kindheit in Fitas: "Wenn man zur Tür raus ging, traf man gleich nebenan auf ein chinesisches Geschwisterpaar, das einen Laden hatte; etwas weiter gab es eine Hindu-Frau, die wunderbare Currybällchen verkaufte. Und um die Ecke gab es einen Sangoma, einen afrikanischen Heiler. Das Leben hier war vielfältig."

Der Wandel Fitas unter der Apartheid

Haus (Foto: Thorsten Deckler)
Eines der wenigen erhaltenen viktorianischen Häuser in FitasBild: Thorsten Deckler

Das bunte Treiben jedoch war ein immer größerer Dorn im Auge der Apartheidregierung. Auch das Haus des damals neunjährigen Fasel Mamdoo wurde in den 70er Jahren von Bulldozern eingerissen. Auf dem so frei gewordenen Platz entstanden neue Häuser für die weiße afrikaanse Bevölkerung, die zunehmend vom Land in die Städte zog. Das ehemals vom Handel belebte Viertel wurde zu einem ruhigen Wohnviertel.

Abweisend wirken die von der Regierung gebauten Häuser mit den vergitterten Fenstern. Einige sehen aus wie Käfige - riesige Satellitenschüsseln scheinen der einzige Kontakt zur Außenwelt zu sein. Kaum jemand ist auf der Straße - bis auf einen Mann in den 50ern, der sein Auto in der Einfahrt wäscht. Gesprächig ist er nicht. Er kenne die Leute hier nicht und wolle auch nichts mit ihnen zu tun haben, winkt er ab. Kurz darauf verrät er jedoch, dass er bereits seit 1985 hier lebt - das Leben vor der Tür habe ihn nicht zuletzt wegen der vielen fremden Kulturen nie weiter interessiert.

Zusammenleben in Fitas

Andere Afrikaaner wie Marc van Aas schütteln den Kopf über solche Äußerungen. Der sportlich gekleidete 35-Jährige mit dem Gipsfuß ist mit Gehstützen auf der Straße unterwegs. Er kam als Zehnjähriger nach Fitas und fühlt sich hier zu Hause. Marc van Aas hatte sogar für eine Weile in dem benachbarten Stadtteil Florida gelebt. Doch da er dort niemanden kannte, kehrte er wieder nach Fitas zurück, wo er auch einige indischstämmige Freunde hat. Er schätzt das Zusammenleben im neuen Südafrika: "Wir leben alle zusammen und ich sehe nicht, warum das nicht harmonisch sein soll. Es ist gut, alle Farben um sich herum zu haben. Ich bleibe hier, bis ich alt bin."

Gute Ideen sind gefragt

Wer heute durch Fitas läuft, sieht eine Menge Brachland. Obwohl die Grundstücke wegen der innenstadtnahen Lage bester Baugrund sind, passiert seit Jahren nichts. Denn die Besitzrechte konnten noch immer nicht geklärt werden, da viele der ehemals vertriebenen Anwohner Ansprüche auf Wiedergutmachung stellen - einige würden gerne wieder nach Fitas zurückkehren. Da nach über 30 Jahren jedoch auch die neuen afrikaansen Anwohner ein Recht zu bleiben haben, sind gute Ideen gefragt.

Haus (Foto: Thorsten Deckler)
Hier entstehen Zukunftspläne - das Architekturbüro in FitasBild: Thorsten Deckler

Freitagnachmittags ist viel los im Architekturbüro auf der ehemaligen Peticoat Lane. Thorsten Deckler und Anne Graupner sitzen bei Kaffee und Kuchen mit den Anwohnern zusammen - und solchen, die es wieder werden wollen. So erfahren die Architekten, was das alte Lebensgefühl in Fitas ausgemacht hat. Das Architektenpaar sieht darin die Chance, eine neue Art des Wohnens zu entwickeln, denn in Johannesburg scheint die Idee vom eigenen Haus mit Garten gescheitert zu sein, da durch die Abschottung hinter Mauern und Zäunen das Leben auf der Straße unsicher geworden ist. Thorsten Deckler und Anne Graupner beschäftigen sich deshalb mit den Vorteilen der dichten Bebauung, wo man "einfach auf einen Schwatz zum Nachbarn rüber gehen kann, ohne ein Tor, einen Hund, einen Kaktus und den Rasen zwischen sich zu haben."

Mit Läden wieder mehr Leben auf die Straße bringen

Die Architekten schlagen vor, die ohnehin kleinen Grundstücke zu teilen und darauf schmale Häuser mit zwei bis drei Stockwerken zu bauen. Das Erdgeschoss könnte als Laden genutzt oder vermietet und so auch wieder für mehr Leben auf der Straße sorgen. Ibrahim Hassan, der seit bald 60 Jahren in Fitas lebt, sieht in dieser Art des nachbarschaftlichen Wohnens nicht nur den Vorteil der verbesserten Sicherheit - die in Südafrika das zentrale Thema ist - sondern auch eine umfassende Chance für das städtische Zusammenleben. Denn schließlich sei der Stadtteil schon immer multikulturell gewesen und Ibrahim Hassan fragt sich, warum das nicht wieder möglich sein soll. Schließlich hätten in Fitas die Menschen schon immer unabhängig von ihrer Religion, Rasse und Kultur gelebt und das mache den Stadtteil bis heute aus.

Autorin: Nina Gruntkowski

Redaktion: Katrin Ogunsade