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Neue Welle von Menschenrechtsverletzungen in Ägypten

Mahmoud Tawfik3. Juni 2006

Die ägyptische Regierung gehört zu den engsten Verbündeten des Westens im arabischen Raum. Doch die Menschenrechte im Land tritt sie mit Füßen. Insbesondere ein Fall erregt derzeit die ägyptische Öffentlichkeit.

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Verprügelt und verhaftet: Demokratie-Aktivisten müssen in Ägypten mit dem Schlimmsten rechnenBild: AP
Blogger Ägypten Alaa Abd El Fattah
Alaa Abdel Fattah (mit Ehefrau) führt seinen Blog im Gefängnis weiterBild: AP

Kein Satz fasst die heftige Wirkung von Polizeibrutalität und Masseninhaftierungen der vergangenen Wochen in Ägypten besser zusammen als die ironische Bemerkung eines Aktivisten: "Es war wohl das Dümmste überhaupt, dass die ägyptische Regierung so viele Aktivisten so lange in den Knast steckt und dort auch noch misshandelt. Jetzt bringen sie eifrig all das an die Öffentlichkeit, was sie im Gefängnis zu Gesicht bekommen haben."

Nach Interview verschwunden

Einer von ihnen ist Mohamed al-Sharkawy. Er verbrachte fast einen Monat in Untersuchungshaft, bevor er von den Behörden am 21. Mai freigelassen wurde - nur um drei Tage später wieder dort zu landen. Sharkawy gehörte zu einer Auswahl von Aktivisten, die wieder auf freien Fuß durfte, nachdem sich die politische Lage in Ägypten vorerst mehr oder weniger beruhigt zu haben schien. Die Konfrontation zwischen der Regierung und den äußerst populären Angehörigen der Reformbewegung unter den ägyptischen Richtern wurde vorerst auf Eis gelegt.

Dennoch kam es am 25. Mai landesweit zu Demonstrationen - genau ein Jahr, nachdem brutale Übergriffe der Sicherheitsbehörden auf Demonstranten einen Höhepunkt erreicht hatten. Mohamed al-Sharkawy wandte sich an dem Jahrestag mit scharfer Kritik an die Presse: "Wir haben geweint, als wir im Gefängnis die Bilder sahen von den Demos der letzten Wochen, als die Polizisten brutal auf Aktivisten einschlugen." Kurz darauf verschwand Mohamed al-Sharkawy.

Blog über die Haft

Deutschland Ägypten Hosni Mubarak in Berlin bei Angela Merkel
Präsident Hosni Mubarak am 10. Mai mit Merkel in BerlinBild: AP

Auch Malek Mustafa - ebenfalls erst kürzlich aus der Untersuchungshaft entlassen - wendet sich an die Presse und veröffentlicht Erinnerungen an seine Haft in seinem Internet-Tagebuch. Gleichsam viele seiner Kollegen: Ihre Berichte werden aus dem Gefängnis geschmuggelt. "Sie haben gewöhnliche Gefangene, also Kriminelle auf uns angesetzt, damit sie uns beschimpfen und belästigen. An einem Tag kamen ungefähr zwölf Gefangene zu uns in die Zelle und zettelten eine Schlägerei mit uns an", erzählt Mustafa. "Ganz offensichtlich hatten sie Anweisungen, uns im Namen der Gefängnisleitung einen Rüffel zu verpassen." Zwischen politischen Gefangenen und gewöhnlichen Kriminellen werde kein Unterschied gemacht. "Direkt nach unserer Festnahme haben sie erst mal drei Tage lang kein Essen zu uns hereingelassen, also wir mussten drei Tage ohne Essen verbringen."

Maleks Schilderungen der letzten Wochen haben an Aktualität nichts eingebüßt: Etwa 50 Oppositionelle und Menschenrechtler der Bewegung "Kifaya" bleiben weiterhin in Untersuchungshaft - und zwar in einem gewöhnlichen Gefängnis, zusammen mit Mördern, Drogenhändlern und Kleinkriminiellen - dem Gefängnis Tora am Rande der ägyptischen Hauptstadt, dort, wo auch Malek Mustafa mehr als vier Wochen verbringen musste. Die Lage der inhaftierten Oppositionellen wird momentan dadurch erschwert, dass etwa ein Dutzend von ihnen auf klaren Konfrontationskurs gegangen ist und einen Hungerstreik ausgerufen hat. Als Reaktion hat die Gefängnisverwaltung jeden der Streikenden in eine Einzelzelle, eine so genannte "Disziplinierungszelle" gesteckt.

Blutüberströmt ins Gefängnis

Der Grund für den Hungerstreik: das Schicksal von Mohamed al-Sharkawy. "Der Hungerstreik hat angefangen, als Mohamed al-Sharkawy blutüberströmt wieder ins Gefängnis aufgenommen wurde", erzählt die Aktivistin und Ärztin Mona Mina nach ihrem letzten Besuch im Gefängnis Tora. "Der Junge wurde zwei Tage lang nicht von einem Gerichtsmediziner untersucht." Die anderen Inhaftierten hätten zwei Tage gestreikt, um eine Untersuchung zu erzwingen. "Sie haben auch noch andere Forderungen, zum Beispiel dass gegen diejenigen ermittelt werden soll, die al-Sharkawy gefoltert haben. Natürlich fordern sie auch die Freilassung aller politischen Gefangenen."

Mona Mina war auch vor Ort, als es am 25. Mai zum ersten Mal wieder ein Lebenszeichen von Mohamed el-Sharkawy gab. Anwälte von "Kifaya" bekamen al-Sharkawy im Gebäude der berüchtigten Sicherheitspolizei zu Gesicht - und waren schockiert. Sie berichten, dass "an seinem Körper keine Stelle frei von Prellungen, Wunden oder Schwellungen geblieben ist." Trotzdem erlaubte die Sicherheitspolizei es der Ärztin Mona Mina nicht, erste Hilfe zu leisten.

Geschlagen und gefoltert

Nach seiner Rückkehr in Tora lässt auch al-Sharkawy einen Bericht aus dem Gefängnis schmuggeln. Er schildert die Übergriffe der Polizei genau - angefangen damit, dass 20 Mann ihn in einen Hauseingang zerrten und auf ihn einschlugen, bis hin zu dem Moment, als er auf der Polizeistation gefoltert wurde. Auch al-Sharkawys Bericht wird im Internet veröffentlicht, er wird ins Englische übersetzt und findet Nachhall in den Appellen internationaler Menschenrechtsorganisationen. "Al-Sharkawys Zustand hat sich mittlerweile um einiges gebessert," berichtet Mona Mina. "Am Anfang war ja sein ganzer Körper voller Prellungen, er konnte kaum atmen und auch nichts essen wegen der Verletzungen an den Lippen. Jetzt geht es ihm ein bisschen besser, allerdings müssen wir uns jetzt ernsthafte Sorgen um die Streikenden machen."

Einige der Forderungen der Streikenden wurden noch nicht erfüllt - und die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht wird auch als sehr gering eingeschätzt. Trotzdem setzen sie ihren Hungerstreik bislang fort - unter erschwerten Bedingungen. Man kann sich eine ungefähre Vorstellung darüber machen, wie es den Streikenden in der Isolationshaft geht, wenn Aktivisten wie Malek Mustafa zu Wort kommen, die das Gefängnis Tora lange genug am eigenen Leibe erleben mussten. "Den Leuten, die jetzt noch dort sind, denen geht es richtig beschissen. Ich hab diese Einzelzellen gesehen, als ich drin war. Ich habe eine Gänsehaut bekommen, der Anblick allein ist schrecklich, schrecklich, schrecklich!", sagt Mustafa. "In der Mitte der Zelle dient ein Loch als Toilette, sie geben dir einen Eimer Wasser mit, das ist alles. Anderthalb mal zwei Meter. Man kann sich schon damit brüsten, wenn man eine halbe Stunde in so einem Ding aushält. Nun muss man sich vorstellen, dass einige schon seit drei oder vier Tagen da drin hocken müssen."