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Neue Wirtschaftsordnung für mehr Gerechtigkeit

2. April 2009

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat absehbar negative Auswirkungen auf die Entwicklungsländer. Dieser Befund steht im aktuellen Bericht der Weltbank. Experten fordern mehr Engagement von den Industrienationen.

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Gebäude der Weltbank in Washington (Foto: dpa)
Gebäude der Weltbank in WashingtonBild: picture-alliance/dpa

Die Forderung ist nicht neu, aus Sicht der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul aber aktueller und dringender denn je: Sie will eine durchgreifende Reform der internationalen Finanz-Struktur und Institutionen. Zunächst müssten die sogenannten Steuer-Oasen ausgetrocknet werden, die ursächlich seien für die weltweite Finanz-Krise. Es sei die schlimmste Krise seit 80 Jahren, schreibt die Weltbank in ihrem jüngsten Bericht.

Geberländer kürzen Entwicklungshilfe

Straßenschild Wall Street (Foto: AP)
Der Börsencrash an der Wall Street war nur der AnfangBild: Bilderbox

Der Bericht der Weltbank zeige auf, wie dramatisch und katastrophal betroffen Entwicklungsländer seien, sagt die deutsche Entwicklungsministerin. Sie nennt drei Hauptgründe: "Weil Kapital aus ihren Ländern abgezogen wird, weil die Kredit-Finanzierung auf den Märkten für sie sehr viel schwieriger ist, weil ihre eigenen Steuern wegbrechen."

Die Krise in den industrialisierten Ländern schlägt mit voller Wucht auf die Entwicklungsländer durch. Etliche Geberländer haben schon ihre staatlichen Gelder für Entwicklungshilfe reduziert. Verschärft wird das Ganze durch die Politik des Finanz-Sektors, beklagt Joseph Stiglitz, der die UN-Kommission zur Reform der Geld- und Finanzmärkte leitet. Die Tatsache, dass einige international tätige Banken sich aus Geld-Geschäften außerhalb des eigenen Landes zurückgezogen hätten, führe in zahlreichen Entwicklungsländern zu einem Kredit-Engpass. "Dieser Rückzug dürfte die Lage in Entwicklungsländern verschlimmern", sagt Stiglitz.

Anti-zyklisches Handeln als Lösung

In Zeiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise dürfe man nicht pro-zyklisch handeln, fordert Stiglitz, der 2001 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Die deutsche Entwicklungsministerin schließt sich der Forderung des US-Amerikaners an. "Das wäre entgegen all den Zielen, die die Welt bei den Millenniums-Entwicklungszielen festgelegt hat. Und es ist auch gegen die eigenen Interessen der Industrie-Länder, denn wir kommen nur gemeinsam weltweit aus der Krise heraus", sagt Wieczorek-Zeul.

Joseph, E. Stiglitz, Professor an der Columbia University (Foto: AP)
Gegen Protektionismus: Joseph StiglitzBild: AP

Joseph Stiglitz warnt die Industrie-Länder auch davor, sich abzuschotten und neue Handelshemmnisse auf Kosten der armen und ärmsten Länder zu errichten. "Auf dem November-Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer haben sich die Teilnehmer dazu verpflichtet, keine protektionistische Politik zu betreiben. Aber bedauerlicherweise rufen die USA mit ihrem Konjunktur-Programm dazu auf, amerikanische Produkte zu kaufen." Das sei ganz klar Protektionismus, kritisiert Stiglitz.

Entwicklungsländer bei Konjunkturpaketen berücksichtigen

Joseph Stiglitz und Heidemarie Wieczorek-Zeul machen sich den Vorschlag von Weltbank-Präsident Robert Zoellick zu eigen. Der hatte angeregt, die Industrie-Länder mögen in all ihren nationalen Rettungspaketen 0,7 Prozent zur Unterstützung der Entwicklungsländer berücksichtigen. Was der deutschen Ministerin insofern leicht fällt, weil im deutschen Konjunktur-Paket für die Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise 100 Millionen Euro für die Weltbank enthalten sind. "Wenn es möglich ist, drei- und vierstellige Milliarden-Beträge zu mobilisieren, um das Finanzsystem zu retten, dann muss es auch möglich sein, weit geringere Beträge zu mobilisieren, die notwendig sind, um die Welt vor Hunger und Armut zu retten", sagt Wieczorek-Zeul.

Joseph Stiglitz, der früher Chef-Ökonom der Weltbank war, fordert neben finanziellen Zusagen eine durchgreifende Reform des Internationalen Währungsfonds. Der IWF sei zu sehr von der Finanz-Welt dominiert, die Empfänger-Länder könnten keinerlei Einfluss nehmen, kritisiert Stiglitz. Wohl auch deshalb befürchtet er, dass sich das globale Ungleichgewicht weiter verschärfen wird. Selbst dann, wenn sich die Weltwirtschaft wieder erholt.

Autor: Marcel Fürstenau, Redaktion: Christine Harjes