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Neue Zuspitzung im Konflikt um Polen-Verband in Belarus

1. September 2005

Polen verweigert der neuen Leitung des Bundes der polnischen Minderheit in Belarus die Anerkennung. Immer lauter wird in Warschau ein Regimewechsel im Nachbarland gefordert.

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Die EU soll auf Minsk Druck ausüben, meint man in Polen.Bild: dpa - Fotoreport

In den Beziehungen zwischen Polen und Belarus gibt es neue Spannungen. Am vergangenen Wochenende wurde in der Stadt Wolkowysk im Gebiet Grodno der Rentner Josef Lucsnik zum Vorsitzenden des Polen-Verbandes in Belarus gewählt. Er trat als einziger Kandidat zur Wahl an, weil außer ihm niemand kandidieren wollte. Luscnik gilt als politisch neutral, was ihn von seiner Vorgängerin Andzelika Borys deutlich unterscheidet, die zum Lukaschenko-Regime in Opposition steht. Ihre Wahl zur Vorsitzenden des Polen-Verbandes in Belarus vor wenigen Monaten hatte das belarussische Justizministerium nicht anerkannt. Vor kurzem wurde sie aus dem Polen-Verband sogar ausgeschlossen.

Finanzhilfe gestoppt

Auf eine Reaktion aus Polen auf die Neuwahl musste man nicht lange warten. Der stellvertretende polnische Außenminister Jan Truszczynski erklärte, Polen erkenne die neue Führung des Polen-Verbands in Belarus nicht an und beabsichtige nicht, mit ihr den Kontakt aufrechtzuerhalten. Ferner werde die Finanzhilfe an den Verband gestoppt. Für dieses Jahr waren zur Unterstützung der ethnischen Polen in Belarus im polnischen Staatshaushalt umgerechnet etwa 500.000 Euro eingeplant. Die Entscheidung des Außenamtes wurde von praktisch allen politischen Parteien des Landes begrüßt. Bei einem Runden Tisch, der am 28. August stattfand, haben die Führer der wichtigsten Parteien dazu aufgerufen, das Lukaschenko-Regime stärker unter Druck zu setzen. Unterschiedlicher Meinung war man nur bei den Vorgehensmethoden.

Reaktionen polnischer Parteien

Der Leiter der Parlamentsfraktion Recht und Gerechtigkeit (PiS), Ludwik Dorn, sagte bei dem Runden Tisch: "Man muss in einem zivilisierten Rahmen versuchen, das Leben der belarussischen Elite zu vermiesen, die Lukaschenko unterstützt. Das sind Visumsfragen, Einladungen sowie der Abbruch der interparlamentarischen oder politischen Dialoge, denn sie dienen jener Elite als attraktiver politischer Tourismus. Sie müssen völlig isoliert werden."

Roman Giertych, Führer der Partei Liga Polnischer Familien (LPR), schlug vor, Moskau und Washington bei der Lösung des Konflikts einzubinden: "Ich denke, dass effektiver Druck auf Lukaschenko nur dann möglich ist, wenn es zu einem Gespräch zwischen den USA und Russland kommt."

Der Führer der Partei Demokratisches Linksbündnis (SLD), Wojciech Olejniczak, sieht die Vorschläge seiner Kollegen kritisch. Er betonte, Polen sei EU-Mitglied und Druck auf Minsk dürfe nur von Brüssel ausgehen: "Die EU hat in dieser Hinsicht umfassende Möglichkeiten, nicht nur politischer, sondern auch wirtschaftlicher Art. Das sind Zollfragen, aber auch Handelsvergünstigungen, die Belarus derzeit genießt. Diese Mechanismen muss man in Gang setzen, um das leidige Problem zu lösen, weil es nicht nur Polen, sondern auch andere ethnische Minderheiten in Belarus betrifft."

Warschau will demokratische Entwicklung

Nach Ansicht polnischer Experten können nur wenige der Vorschläge, wie man die Rechte der polnischen Minderheit in Belarus verteidigen kann, die politische Lage im Nachbarland kardinal verändern. Die Landsleute sind für die polnische politische Elite nur Teil des Problems. Warschau tritt entschieden für die Änderung der politischen Ordnung in Belarus ein und will helfen, das Land auf den Weg einer demokratischen Entwicklung zu bringen.

Wiktor Schankow, Warschau
DW-RADIO/Russisch, 29.8.2005, Fokus Ost-Südost