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Neuer Druck auf unabhängige Medien in Belarus

9. Juni 2005

Die Worte "national" und "belarussisch" dürfen in Namen nicht-staatlicher Organisationen nicht mehr vorkommen. Einige Medien müssen nun eine Neuzulassung beantragen. Unabhängige Journalisten verurteilen dies vehement.

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Staatspräsident Lukaschenko sorgt sich um StaatssymboleBild: AP

Unabhängige Journalisten in Belarus sind überzeugt, dass der Erlass von Präsident Aleksandr Lukaschenko „Über die anständige Verwendung der Worte ‚national‘ und ‚belarussisch‘ in Namen von Organisationen“ darauf abzielt, den unabhängigen Medien ihre Arbeit zu erschweren. Gemäß dem Erlass dürfen die Worte national und belarussisch künftig nur noch in den Namen eines begrenzten Kreises juristischer Personen vorkommen. Nicht-staatliche Medien sind von diesem Kreis ausgeschlossen. Medien, deren Namen den neuen Regelungen nicht entsprechen, müssen sich laut dem Erlass des Präsidenten um eine Neuzulassung bemühen, für die eine Frist von drei Monaten vorgesehen ist. Die Medien, die innerhalb dieser Frist das Verfahren nicht bewältigen, werden dann nicht mehr arbeiten dürfen.

Persönliche Genehmigung des Präsidenten

Die Notwendigkeit des Erlasses begründete Justizminister Wiktor Golowanow damit, dass die Worte national und belarussisch die Souveränität des Landes betonten und deshalb nur in Namen staatlicher Strukturen vorkommen dürften. Alle anderen müssten sich das Recht, jene Worte in ihren Namen tragen zu dürfen, verdienen. Eine entsprechende Genehmigung werde dann Präsident Lukaschenko persönlich erteilen. Golowanow versicherte zugleich, niemand werde unter der nun notwendigen Neuzulassung leiden. Den Optimismus des Justizministers teilen Vertreter unabhängiger Medien aber nicht.

Behörden missachten Fristen

Dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsschutz-Zentrums für Medien, Andrej Bostunez, zufolge hat der Erlass zum Ziel, die Arbeit nicht-staatlicher Zeitungen zu erschweren. Bostunez unterstrich, für die Neuzulassung sei eine sehr kurze Frist vorgesehen. Er sagte: „Im Prinzip ist es realistisch, dass eine Zeitung innerhalb von drei Monaten ein Zulassungsverfahren bewältigt, aber das Verfahren gilt nicht nur für die Zeitung, sondern auch für die Redaktion und die Inhaber.“ Drei Monate würden genügen, wenn die Behörden selbst alle Fristen genau einhalten würden, was sie aber nie machten, so Bostunez.

Zeitungen verlieren Namen

Wjatscheslaw Chodosowskij, der als Redakteur für die älteste unabhängige Zeitung des Landes Belorusskij rynok tätig ist, sagte der Deutschen Welle ebenfalls, man werde die Fristen nicht einhalten, da es zahlreiche Wege gebe, das Zulassungsverfahren hinauszuzögern. Chodosowskij betonte, eine Neuzulassung würde für die Zeitung den Verlust ihres bekannten Namens bedeuten, was dem Wochenblatt hohe Kosten verursachen würde. Er sagte: „Wir können vor Gericht dagegen nicht vorgehen, weil das belarussische Rechtssystem so etwas unmöglich macht.“

Negativ bewertet den Präsidentenerlass auch der Chefredakteur der Belorusskaja delowaja gaseta, Pjotr Marzew. Er hofft, dass ein Weg gefunden wird, die Neuzulassung so zu gestalten, dass sie sich auf die Leser der Zeitung nicht auswirken wird. Zugleich schloss er nicht aus, dass sich die Zeitung künftig nur noch abgekürzt „BDG“ nennen wird.

Wladimir Dorochow, Minsk

DW-RADIO/Russisch, 7.6.2005, Fokus Ost-Südost