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Neuer Mann, alte Probleme

Ute Schaeffer22. November 2002

Der neue ukrainische Regierungschef Viktor Janukowitsch steht nicht für politische Veränderung. Dabei hätte die Ukraine diese dringend nötig. Ein Porträt.

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Viktor JanukowitschBild: AP

Knapp eine Woche nach Entlassung des gesamten ukrainischen Kabinetts durch den Präsidenten Leonid Kutschma hat das Parlament in Kiew dessen Vertrauten Viktor Janukowitsch mit knapper Mehrheit zum Regierungschef gewählt. Selbst für viele Ukrainer ist er ein Unbekannter. Zwei Drittel der Bevölkerung kennen Viktor Janukowitsch nicht. Und es ist nicht eben eine gradlinige Karriere, welche den Gouverneur der Industrieregion Donezk für das hohe Amt qualifiziert: Erst 1996, nachdem er eine Weile in Speditionsgeschäften tätig war, stieg Janukowitsch in die Politik ein. Nur ein Jahr später wurde er zum Gebietschef in der ostukrainischen Industrieregion Donezk.

Bewährtes Rezept

Kutschma
Leonid Kutschma, Präsident der Ukraine (Archivbild vom 20.07.2001)Bild: AP

Der neue Premier ist durch ein bewährtes Erfolgsrezept an die Macht gekommen: Er steht für die Oligarchen aus der Donezk-Region, hat enge Verbindungen zum Präsidenten Leonid Kutschma und gilt als russlandfreundlich. Diese Mischung hat den Gouverneur aus Donezk für das hohe Amt im Staat prädestiniert und das entsprechende Netzwerk sorgte dafür, dass eine Mehrheit im Parlament gefunden wurde.

Janukowitschs Regierungsstil als Gouverneur wurde von Beobachtern als "byzantinisch" und starr charakterisiert. Er hatte sein Gebiet ganz im Sinne des ukrainischen Präsidenten im Griff: Dort trug bei den Parlamentswahlen im Frühjahr der pro-präsidiale Parteienblock "Für eine einige Ukraine" die Mehrheit davon. Gleichzeitig wurden dort die meisten Wahlunregelmäßigkeiten registriert. Der neue Premier wird politisch wohl wenig gestalten. Er soll vor allem für zwei Dinge sorgen: Für eine Politik im Sinne des mit Vollmachten reichlich ausgestatteten Präsidenten und er soll Präsident Kutschma am Ende seiner letzten Amtzeit die nötige Immunität sichern. Janukowitsch könnte außerdem vom Präsidenten als möglicher Amtsnachfolger ins Spiel gebracht werden.

Viele Probleme

Doch das hat noch Zeit bis 2004. Bis dahin gibt es eigentlich eine Vielzahl von politischen Problemen, die auf Lösungen warten: Was ist mit den außenpolitischen Skandalen - dem möglichen Export eines Raketen-Frühwarnsystems Koltschuga in den Irak? Wie wird die Ukraine die außenpolitische Isolierung, in die sie von ihrer politischen Führung manövriert wurde, überwinden? Wie wird künftig mit der Pressefreiheit im Lande umgegangen? Und wie soll endlich die wirtschaftliche Talfahrt gebremst werden, welche die Mehrzahl der Ukrainer in bittere Armut gestürzt hat?

In all diesen Fragen hat sich die Situation im Land unter Kutschma weiter verschlechtert. Das liegt an Korruption und Vetternwirtschaft, an mangelnden demokratischen Strukturen sowie an der Vermischung von Politik und Business. Es ist nicht zu erwarten, dass der Geschäftsmann Janukowitsch als neuer Regierungschef viel daran setzen wird, das zu ändern. Vielmehr wird der neue Premier wohl die Interessen der Industrie- und Bergbauregion Donezk durchsetzen.

Geeinte Opposition

Vollmond über Kiew
Es wird Nacht über KiewBild: AP

Die Ukraine hat bereits einmal schlechte Erfahrungen mit einem Geschäftsmann an der Spitze gemacht: 1996 machte Kutschma Pawel Lasarenko zum Regierungschef, der die Industriellenclans aus Dnjepropetrowsk stützte. Heute sitzt Lasarenko wegen Geldwäsche in den USA im Gefängnis. Auch der neue Regierungschef Janukowitsch ist bereits zwei Mal vorbestraft - unter anderem wegen der Unterschlagung von Geldern.

Die Wahl von Janukowitsch hat nur ein Gutes: die Opposition hat auch diesmal - allen Unkenrufen zum Trotz - Zusammenhalt bewiesen und dem neuen Premier ihre Stimmen nicht gegeben. Nur knapp wurde der Premier von der pro-präsidialen Mehrheit im Parlament bestätigt. Mit dem Widerstand der Opposition gegen die Politik von Kutschma und der von ihm eingesetzten Regierung ist also weiterhin zu rechnen. Dieser Widerstand wird die Situation im Land zwar nicht auf die Schnelle ändern, doch er steht für den Willen zu Veränderung und Politikwechsel bei einer wachsenden Zahl von Ukrainern.