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Neuer Partner, altes Problem

Jan D. Walter18. April 2014

Jahrzehntelang galt Lateinamerika als Hinterhof der USA. Nun spielt China groß auf. Die Asiaten gehen viel behutsamer vor. Doch gewisse Probleme werden die Latinos einfach nicht los.

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Der chinesische Außenminister Wang Yi (re.) mit seinem kubanischen Amtskollegen Bruno Rodriguez (Foto: imago/Xinhua)
Der chinesische Außenminister Wang Yi (re.) mit seinem kubanischen Amtskollegen Bruno RodriguezBild: imago/Xinhua

Eine Agenda hat das chinesische Außenministerium zwar nicht veröffentlicht, doch was Chinas Chefdiplomat Wang Yi in Lateinamerika will, kann man sich in etwa ausmalen. Vom 18. bis zum 27. April besucht der Außenminister nacheinander Kuba, Venezuela, Argentinien und Brasilien. Vor allem dürfte es dabei um Rohstoffe gehen, den Zugang zu den Märkten seiner Reiseziele und vielleicht auch um ein paar Investitionen, die das Reich der Mitte auf dem amerikanischen Kontinent tätigen will.

Längst hat sich China in Lateinamerika als Wirtschaftsmacht etabliert. Zwischen 2000 und 2012 wuchs das bilaterale Handelsvolumen im Schnitt um mehr als 30 Prozent im Jahr. 2013 waren es 261 Milliarden US-Dollar. In vielen Ländern rangiert China inzwischen auf Rang zwei oder drei der größten Handelspartner - meist hinter den USA oder einem anderen Nachbarn aus der Region. In der größten Volkswirtschaft des Subkontinents, Brasilien, hat China die USA bereits vor einigen Jahren von Platz eins verdrängt. Für Brasilien war der chinesische Rohstoffhunger eine maßgebliche Finanzierungsquelle für den wirtschaftlichen Aufstieg der 2000er-Jahre. Auch anderen Ländern hat er über die globale Finanzkrise hinweggeholfen, die seit 2007 Europa und die USA in Atem hielt.

Das alte Problem

So gut die chinesischen Devisen den Staatskassen getan haben, so zwiespältig werten viele Beobachter diese Entwicklung. Denn Lateinamerika ist dabei wieder in dieselbe Falle getappt, aus der es seit seiner Eroberung durch Spanier und Portugiesen eigentlich nie ganz herausgekommen ist: Der Subkontinent liefert Rohstoffe, die von Anderen verwertet werden.

Wertschöpfung? Fehlanzeige. Außer Brasilien und Mexiko hat kein Land zwischen Tijuana und Feuerland eine ernstzunehmende Industrie. Doch selbst das produzierende Gewerbe in São Paulo - einem der größten Industriestandorte der Welt - ist schon auf dem brasilianischen Markt nur bedingt wettbewerbsfähig im Vergleich mit chinesischen Firmen. Brasiliens Industrie-Exporte beschränken sich weitgehend auf den Flugzeugbauer Embraer und ein paar IT-Firmen.

Gründe dafür liegen in der mangelhaften Infrastruktur und der schlechten Ausbildung vieler Brasilianer. Denn auch wenn die Rohstoff-Devisen heute nicht mehr ausschließlich einer kleinen Elite zugute kommen, landen sie nur selten in nachhaltigen Investitionen. Nicht nur populistische Regierungen wie in Argentinien, Ecuador und Venezuela erkaufen sich die Zustimmung der ärmeren Bevölkerung über subventionierte Lebensmittel oder staatlichen Wohnungsbau. Auch eine gefestigte Demokratie wie Brasilien verfährt mitunter nach alter Gutsherrenart und steckt Milliarden in wenig nachhaltige Projekte: Gerade hat die Regierung mehr als acht Milliarden Euro für eine Fußball-Weltmeisterschaft ausgegeben, statt zum Beispiel den Anschluss der Seehäfen ans nationale Verkehrsnetz voranzutreiben.

Kapitalflut aus Fernost

Den Chinesen könnte das nur Recht sein, schließlich sind auch im Reich der Mitte die Produktionskosten in den letzten Jahren empfindlich gestiegen. Offenbar ist Peking nicht auf kurzfristige Geschäfte aus, sondern will langfristig an der Entwicklung der Region teilhaben.

Laut Studien des Washingtoner Think-Tanks "Inter-American Dialogue" und der Boston University hat China lateinamerikanischen Staaten und Firmen seit 2005 Kredite in Höhe von mehr als 100 Milliarden US-Dollar gewährt. 2010 waren es allein 37 Milliarden Dollar - in dem Jahr mehr als die Lateinamerika-Darlehen der Weltbank, Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Export-Import-Bank der USA zusammen.

Sojaernte in Argentinien (Foto: Ghetty Images)
China ist größter Abnehmer argentinischer SojabohnenBild: Getty Images

Entgegen anderen Analysen kommen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass hier nicht einfach billiges Geld gegen zukünftige Öllieferungen verliehen wurde. China investiert in den Ausbau der Infrastruktur. So gingen allein mehr als 50 Milliarden US-Dollar an Venezuela, das von dem Geld vor allem die Erdöl-Infrastruktur wieder aufbauen soll.

Der neue Partner

Dass die Pekinger Strategen langfristig denken, zeigt auch ihr diplomatisches Vorgehen: Seit 2001 unterhält das Land fünf strategische Partnerschaften in Lateinamerika - mit Mexiko, Venezuela, Peru, Brasilien und Argentinien. Damit reagiert China unter anderem auf den wachsenden Einfluss der USA in Asien, meint Marc Szepan vom Berliner Mercator Institute for China Studies MERICS: "Es gilt sozusagen die Devise: Suchst Du mehr Freunde in meiner Nachbarschaft, suche ich mehr in Deiner."

Dabei gehen die Chinesen wesentlich behutsamer vor, als das die US-Regierungen im letzten Jahrhundert in Lateinamerika taten: "Statt sich in innere Angelegenheiten einzumischen, strebt China multilaterale Dialogplattformen an", erläutert Ana Soliz vom Hamburger Giga-Institut für Lateinamerikastudien. Ziel sei es, in internationalen Organisationen wie den G20 und der Welthandelsorganisation gemeinsame Interessen durchzusetzen.

Brasilien und China pflegen Kontakt auf höchster Eben: Brasiliens Präsidentein Dilma Rousseff mit ihrem ehemaligen Amtrkollegen Hu Jintao in China (Foto: AP)
Brasilien und China pflegen Kontakt auf höchster Eben: Brasiliens Präsidentein Dilma Rousseff mit ihrem ehemaligen Amtskollegen Hu Jintao in ChinaBild: AP

Diese Zurückhaltung könnte sich für China auszahlen. Denn schon befürchten Skeptiker, dass Lateinamerika von der einen Abhängigkeit - von den USA - in die nächste rutschen - in die von China. Und das will nun wirklich kein Latino.