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Neuer Tiefschlag für Werften

Henrik Böhme21. August 2012

Sogar die Bundeskanzlerin kam, um Trost zu spenden. Doch neue Finanzhilfen hatte sie nicht im Gepäck. Zwei weitere traditonsreiche Schiffbau-Standorte an der Ostsee stehen damit vor dem Aus.

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ARCHIV - Die Scandlines-Fährschiffe «Copenhagen» (l) und «Berlin» liegen am 24.05.2012 am Ausrüstungskai auf der P+S-Werft Standort Volkswerft Stralsund.Die angeschlagenen Schiffbaubetriebe in Stralsund und Wolgast können nicht mehr mit der Hilfe des Landes rechnen und stehen damit vor der Insolvenz. Nach einem weiteren Krisengespräch in Schwerin wurde mitgeteilt, dass die Werften keine weiteren von Bund und Land verbürgten Kredite erhalten werden. Foto: Stefan Sauer dpa/lmv +++(c) dpa - Bildfunk+++
P+S-Werft in StralsundBild: picture-alliance/dpa

Die Insolvenz zweier Werften stürzt Mecklenburg-Vorpommern in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Wieder einmal. Dabei geht es den Schiffbauern in Deutschland derzeit gar nicht so schlecht, sagt der Branchenverband. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reiste am Dienstag (21.08.2012) in ihren Wahlkreis in Stralsund, wo sie mit dem Schweriner Regierungschef Erwin Sellering (SPD) und dessen Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) vor die Werftarbeiter trat. Doch Hilfspakete hatte sie nicht im Gepäck. "Wir haben der Werft geholfen - der staatliche Rahmen ist ausgeschöpft", sagte in einem Radio-Interview.

Am Vortag hatte der Geschäftsführer der P+S-Werften in Stralsund und Wolgast, Rüdiger Fuchs, den Insolvenzantrag angekündigt. Obwohl die Orderbücher mit Aufträgen im Wert von über einer Milliarde Euro gefüllt seien und Bund und Land erst im Juni Millionen schwere Beihilfen zugesagt hatten, seien die Betriebe über das Jahresende hinaus nicht zu finanzieren, begründete er seinen Schritt.

Strukturschwache Region

Die Werften gehören zu den wenigen Industriebetrieben im strukturschwachen Vorpommern, das sonst vor allem von der Landwirtschaft und dem Tourismus lebt. 1800 Schiffbauer sind direkt auf den P+S-Werften beschäftigt. Mehrere tausend weitere Jobs sind bei Zulieferfirmen der Region in Gefahr. Bereits vor zwei Jahren bekamen die P+S-Werften Staatsbürgschaften über mehr als 300 Millionen Euro. Im Gegenzug musste die Bremer Hegemann-Gruppe die Werften in eine Treuhandgesellschaft ausgliedern.

Die erneute Schieflage bei den P+S-Werften ist seit längerem bekannt. Insgesamt würden 300 Millionen Euro fehlen, hieß es im Frühjahr. Mit entsprechendem Engagement machte sich die SPD/CDU-Landesregierung bei der EU in Brüssel stark, um Rettungsbeihilfen von bis zu 152 Millionen Euro zahlen zu können. Das sei "nicht ohne Risiko", sagte Sellering damals. Weiteres Geld sollten die Zulieferer, die Banken und indirekt die Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Genützt hat es nicht. Geschäftsführer Fuchs, der erst vor zwei Wochen seinen Dienst antrat, kam zu dem Schluss, die Werften hätten sich auf dem Weg von der Serienproduktion zum Spezialschiffbau "zu viel vorgenommen".

Hausgemachte Fehler

Während die Stralsunder Volkswerft einst Containerschiffe baute, versucht sie sich seit kurzem im Bau von Fähren, eisgängigen Spezialfrachtern oder Schiffen, die Offshore-Anlagen ausrüsten. Zwei teure Fähren wurden allerdings nicht termingerecht fertig. Statt Geld einzunehmen, mit denen weitere Bauten vorfinanziert werden können, wurden Vertragsstrafen fällig. Zudem fand sich offenbar keine Bank, die für den Bau weiterer Schiffe Kredite gewähren wollte.

Von einem negativen Trend im deutschen Schiffbau könne trotz der P+S-Werften-Misere aber nicht die Rede sein, so der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Viele Werften stünden gut da, betonte eine Sprecherin. Es gebe mehrere Werften, bei denen die Umstellung zum Spezialschiffbau "gut funktioniert hat" - auch wenn dies immer "ein schwieriger Weg" sei. Selbst drei Werften, die zuletzt hätten Insolvenz anmelden müssen, konnten so weiterarbeiten.

Zweifellos aber erhofften sich die Werften mehr Unterstützung aus Berlin, ergänzte die VSM-Sprecherin: Sie müssten nicht nur mit den vom Staat subventionierten Werften in China und Südkorea konkurrieren, sondern auch mit staatlichen Werften in Frankreich und Italien.