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Neuer Vertrag soll den Euro retten

30. Januar 2012

26 Länder der Europäischen Union wollen beim Gipfeltreffen an diesem Montag einen neuen Vertrag zur Haushaltsdisziplin billigen. Der Fiskalpakt soll zu weniger Schulden führen. Ein Durchbruch oder ein Irrweg?

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Euromünzen (Foto: dapd)
In der Krise: der EuroBild: dapd

Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass alles glatt geht. Kein Wunder, schließlich ist die Verpflichtung zur strengeren Haushaltskontrolle eine Idee von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Dezember beim letzten EU-Gipfel frohlockte Angela Merkel noch, die Verabredung aller EU-Staaten außer Großbritannien sei ein Durchbruch bei der dauerhaften Lösung der Schuldenkrise. Inzwischen wurde für EU-Verhältnisse in Rekordzeit ein Vertragstext ausgehandelt. Der Pakt hat nicht mehr ganz so scharfe Zähne, wie sich dies Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy als Mutter und Vater des Vertrages wohl gedacht hatten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann spricht inzwischen nur noch von einem wichtigen "Beitrag" zur Lösung der Krise. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der an den Verhandlungen für das Europaparlament teilnahm, hält den Pakt für einen wichtigen "Baustein", der allein aber nicht ausreiche.

Sanktionen gegen Schuldenstaaten

Brok sagte der Deutschen Welle, dass er sich das ein oder andere natürlich besser hätte vorstellen können: "Aber ich glaube, jetzt ist es möglich, Sanktionen zu verhängen, Schuldenverfahren in Gang zu setzen durch einen Automatismus." Obwohl der Pakt außerhalb der eigentlichen Europäischen Verträge geschlossen wird, soll er später in das Gemeinschaftsrecht integriert werden. Das hält der Europaabgeordnete für besonders wichtig. "Es ist hier die Gemeinschaftsmethode gewahrt, so dass hier nicht eine Spaltung Europas entstehen kann."

Elmar Brok (Foto: dapd)
Elmar BrokBild: dapd

Großbritannien hatte sein Veto gegen den Fiskalpakt eingelegt. Premier David Cameron fürchtete den Verlust nationaler Haushaltssouveränität. In der Tat sieht der Pakt künftig bei zu hohen Defiziten in den Staatshaushalten automatische Strafen vor, über deren Höhe noch gerungen wird. Außerdem wird eine Schuldenbremse eingeführt, die langfristig zu ausgeglichenen Haushalten führen soll. Dieser Punkt war Bundeskanzlerin Merkel besonders wichtig, schließlich hat Deutschland eine solche Schuldenbremse bereits in der Verfassung.

Nicht durchsetzen konnte sich Deutschland aber mit der Forderung, dass die Schuldenbremse in allen Staaten Verfassungsrang erhält. Außerdem soll es Ausnahmen bei außergewöhnlichen Umständen oder starker Rezession geben.  Den Vorwurf, sie wolle anderen ihren Willen aufzwingen, weil sie nun einmal das größte Euro-Zonen-Land vertritt, weist Angela Merkel zurück. "Wir sind bereit, voneinander zu lernen", sagte sie vergangene Woche in Berlin. "Das hat mit Dominanz erst einmal gar nichts zu tun. Und dass wir jetzt so groß sind, dafür können ja nichts", so Merkel.

"Nichts wesentlich Neues"

Bis auf die Schuldenbremse, also die Vorschrift, Defizite abzubauen und ohne Schulden zu wirtschaften, sind die Regeln der Fiskalunion eigentlich nicht gänzlich neu. Olli Rehn, der zuständige EU-Kommissar für Währungsfragen, verwies kürzlich beim Finanzministertreffen in Brüssel darauf, dass 99 Prozent der Bestimmungen des neuen Paktes ohnehin schon geltendes EU-Recht seien. Es gehe nur darum, das Ganze noch einmal zu bekräftigen, so Rehn. "Der Fiskalpakt ist eine grundlegende Verpflichtung zu Haushaltsdisziplin durch die nationalen Parlamente der EU-Mitglieder. Das ist sein eigentlicher Nutzen. Durchgesetzt wird der Pakt hauptsächlich durch bereits vorhandene Regeln und Gesetze."

Olli Rehn (Foto: dpa)
Olli RehnBild: picture alliance/dpa

Nur solche Staaten, die dem Fiskalpakt beitreten, sollen künftig Hilfen aus den Rettungsfonds der 17 Euro-Staaten bekommen. Schon in einem Jahr soll der Vertrag nach Ratifizierung durch die nationalen Parlamente in Kraft treten. Auch das wäre ein rekordverdächtig kurzer Zeitraum. Die Experten sind sich einig, dass der Vertrag in der aktuellen Krise nicht hilft, sondern erst in Zukunft wirken wird. Jean Pisani-Ferry von der Brüsseler Denkfabrik "Bruegel" meint, dass es bis zu einer echten Fiskalunion mit gemeinsamer Haushalts- und Schuldenpolitik noch ein weiter Weg sei. "Wir brauchen eigentlich mehr politische Integration. Wir sehen aber genau das Gegenteil. Es gibt keinen politischen Willen zur Aufgabe von eigener Souveränität, besonders nicht in Frankreich", so Pisani-Ferry.

"Ein Nebengleis"

Der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, warnt, durch den Fiskalpakt, der ohne Großbritannien abgeschlossen wird, dürfe keine neuen Institutionen entstehen, die den bereits bestehenden gemeinschaftlichen Strukturen Konkurrenz machen könnten. Barroso sagte in Brüssel, alles andere würde nur Verwirrung stiften: "Der Vertrag muss am Ende zu mehr Europa führen, nicht zu weniger."

Der neue Chef der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, kritisiert das Vorgehen der konservativen Regierungschefs Merkel und Sarkozy. Die Fokussierung auf den Fiskalpakt sei falsch, sagte er der DW. Der neue Vertrag sei nur ein "Nebengleis". Viel wichtiger sei es, sich über die Rolle der Europäischen Zentralbank, gemeinsame Schuldscheine wie Eurobonds und Konjunkturmaßnahmen zu unterhalten. "Es gibt bereits ausreichende politische Strukturen in Europa. Bislang haben sich die Staats- und Regierungschefs, besonders Bundeskanzlerin Merkel aber geweigert, in diesen Strukturen auch zu arbeiten." Es fehle der Wille zu einer gemeinsamen Lösung, betonte Swoboda. 

Hannes Swoboda (Foto: picture alliance)
Hannes SwobodaBild: picture alliance/dpa

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat Vorbehalte gegen die Fiskalunion angemeldet und mehr Einfluss der Staaten gefordert, die den Euro noch nicht als gemeinsame Währung haben. Zudem weiß niemand in Brüssel ganz genau, wie sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bei den abschließenden Verhandlungen verhalten wird. Orban, der von der EU in anderer Sache massiv wegen möglicher Vertragsverletzungen kritisiert wird, könnte den Pakt ablehnen. Damit es keine Verzögerungen gibt, will die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs beschließen, dass der Pakt auch dann in Kraft treten kann, wenn ihn noch nicht alle teilnehmenden Staaten ratifiziert haben. Wie hoch diese Schwelle sein soll - 10, 12 oder 17 Staaten - ist aber noch umstritten.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Tamas Szabo / Christian Walz